1. Die materiellen Voraussetzungen für eine Entscheidung des Familiengerichts (§ 64 Abs 2 S 3 EStG)
Rn. 80
Stand: EL 170 – ET: 01/2024
Unterbleibt eine Berechtigtenbestimmung oder wird diese widerrufen, ohne dass eine neue Bestimmung für die Zukunft getroffen wird, so trifft das Familiengericht die Berechtigtenbestimmung. Insoweit gilt seit dem 01.09.2009 das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Zum Verhältnis des vorrangig Berechtigten zu dem durch das Familiengericht bestimmten Berechtigten im Monat des Eintritts der vorrangigen Berechtigung und zur Rückwirkung einer Berechtigtenbestimmung vgl FG Mchn vom 21.02.2008, 9 K 2096/07, EFG 2008, 1464.
Der Abänderung einer Bestimmung des Kindergeldberechtigten durch das Familiengericht kommt nur Wirkung für die Zukunft zu, wenn die ursprüngliche Berechtigtenbestimmung im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Abänderung bereits vollzogen ist und im Zeitpunkt des Vollzugs keine Anordnung ergangen war, dass die Vollziehung der Berechtigtenbestimmung auszusetzen sei, FG BdW vom 24.11.2008, 4 K 1187/08, EFG 2009, 350.
Rn. 81–86
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vorläufig frei
2. Die formellen Voraussetzungen für eine Entscheidung des Familiengerichts (§ 64 Abs 2 S 4 EStG)
Rn. 87
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Das Familiengericht kann nur auf Antrag entscheiden, FG RP vom 10.04.2000, 5 K 2268/98, DStRE 2001, 134. Den Antrag kann jeder stellen, der ein berechtigtes Interesse an der Zahlung des Kindergelds hat. Antragsberechtigt sind nicht nur die Berechtigten iSd § 62 EStG, sondern auch andere Personen, wie zB Vormünder, Beistände und Pfleger.
Das ergibt sich aus § 67 S 2 EStG, wonach außer den Berechtigten auch derjenige einen Antrag auf Kindergeld stellen kann, der ein berechtigtes Interesse an der Leistung des Kindergelds hat. Ein berechtigtes Interesse haben auch diejenigen Personen, die dem Kind zum Unterhalt verpflichtet sind, die zum Unterhalt des Kindes beitragen, sowie die, zu deren Gunsten eine Auszahlung des Kindergelds erfolgen könnte (§§ 74, 76 EStG), vgl V 5.3 Abs 1 S 2 DA-KG 2023.
Rn. 88
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Ein berechtigtes Interesse kann auch ein Kind haben, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt, BFH vom 26.01.2001, VI B 310/00, BFH/NV 2001, 896.
Rn. 89
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Der Antrag ist schriftlich oder mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle des Familiengerichts zu stellen (§ 25 FamFG).
Rn. 90
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Ein Antrag auf Berechtigtenbestimmung kann erst gestellt werden, wenn die Familienkasse oder im Streitfall das FG festgestellt hat, dass eine Mehrzahl von Anspruchsberechtigten gegeben ist, LG Berlin vom 04.11.2005, 83 T 151/05.
Rn. 91
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Ist ein Beteiligter der Auffassung, die Familienkasse habe seine Anspruchsberechtigung zu Unrecht verneint, kann er Klage vor dem FG erheben, FG RP vom 31.07.1996, 1 K 1449/96, EFG 1996, 1175.
Rn. 92–93
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vorläufig frei
3. Das Verfahren vor dem Familiengericht
Rn. 94
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Das Verfahren vor dem Amtsgericht als Familiengericht richtet sich nach den Vorschriften des FamFG. Es handelt sich um eine Unterhaltsache iSd § 231 Abs 2 FamFG, die aber keine Familienstreitsache darstellt, BGH vom 29.01.2014, XII ZB 555/12, FamRZ 2014, 646. Verfahrensrechtlich handelt es sich um eine Familiensache der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 111 Nr 8 FamFG), damit kann keine Prozesskostenhilfe (PKH), sondern Verfahrenskostenhilfe geleistet werden, OLG Celle vom 19.04.2011, 10 WF 109/11, NJW-RR 2011, 1231.
Sachlich zuständig ist nach § 23b GVG das Familiengericht. Dort besteht nach § 25 Nr 2a FamFG die funktionelle Zuständigkeit des Rechtspflegers, soweit nicht eine Familiensache iSd § 231 Abs 1 FamFG anhängig ist, die in die funktionelle Zuständigkeit des Richters fällt.
Rn. 95
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Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 232 FamFG. Danach ist dasjenige Familiengericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Kind zu der Zeit, zu der die Berechtigtenbestimmung erforderlich ist, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, § 232 Abs 1 Nr 2 FamFG; soweit eine Ehesache anhängig ist, ist das Familiengericht örtlich zuständig, bei dem die Ehesache anhängig ist, § 232 Abs 1 Nr 1 FamFG.
Rn. 96
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Für das Verfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG).
Rn. 97–109
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vorläufig frei
4. Die Entscheidung des Familiengerichts
Rn. 110
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Das Familiengericht entscheidet durch Beschluss, § 38 FamFG.
Es kann nur einen der in § 64 Abs 2 S 2 EStG Genannten als Berechtigten bestimmen. Die Bestimmung einer anderen Person oder die Aufteilung des Kindergelds ist ausgeschlossen, BFH vom 08.08.2013, III R 3/13, BStBl II 2014, 576. Die Reichweite der Tatbestandswirkung der Entscheidung des Familiengerichts bezieht sich allein auf die Vorrangbestimmung, nicht jedoch auf die Berechtigtenbestimmung an sich. Bestimmt das Familiengericht unter Überschreitung seines gesetzlichen Entscheidungsrahmens eine nach den §§ 62ff EStG nicht kindergeldberechtigte Person, zB das Kind selbst, zum Kindergeldberechtigten, entfaltet diese Entscheidung keine Tatb...