Rn. 133
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Wird beim zuständigen Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften gelten, die aber nach den Prioritätsregeln der Abs 1 u 2 des Art 68 EG (VO) 883/2004 nachrangig sind, ein Antrag auf Familienleistungen gestellt, so leitet dieser Träger den Antrag unverzüglich an den zuständigen Träger des Mitgliedstaats weiter, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, BFH v 22.02.2018, III R 10/17, BStBl II 2018, 717. Ferner teilt der Träger des nachrangig zuständigen Mitgliedsstaats dies der betroffenen Person mit und zahlt unbeschadet der Bestimmungen der Durchführungsverordnung über die vorläufige Gewährung von Leistungen erforderlichenfalls den in Art 68 Abs 2 EG (VO) 883/2004 genannten Unterschiedsbetrag.
Der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, bearbeitet den Antrag, als ob er direkt bei ihm gestellt worden wäre; dabei gilt der Tag der Einreichung des Antrags beim ersten Träger als der Tag der Einreichung bei dem Träger, der vorrangig zuständig ist.
Der Anspruch auf Familienleistungen nach dem Recht des ausländischen EU-Mitgliedstaats, der aufgrund der Erwerbstätigkeit vorrangig zuständig zur Gewährung von Familienleistungen geworden ist, ist auch dann nachträglich auf das nach deutschem Recht gewährte Kindergeld anzurechnen, wenn der Kindergeldberechtigte die ihm im Auslandsstaat zustehenden Familienleistungen dort nicht beantragt und bezogen hat, BFH v 09.12.2020, III R 73/18, BFH/NV 2021, 882. Art 68 Abs 3 Buchst b (EG) VO Nr 883/2004 fingiert, dass der im nachrangig zuständigen Mitgliedstaat gestellte Antrag auf Familienleistungen zugleich als Antrag gilt, der im vorrangig zuständigen Mitgliedstaat gestellt worden ist. Diese Fiktion wirkt auch dann, wenn die Familienkasse den im Inland gestellten Kindergeldantrag nicht an den ausländischen Träger weiterleitet, weil ihr ein Auslandsbezug nicht bekannt ist, BFH v 09.12.2020, III R 31/18, BFH/NV 2021, 771.
Rn. 134
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Hat die Familienkasse Kindergeld an die im Inland mit ihren Kindern lebende Mutter gewährt und wird nachträglich bekannt, dass der im EU-Ausland (Schweden) lebende Vater der Kinder dort eine Erwerbstätigkeit aufgenommen hat, ist die Familienkasse dazu berechtigt, gemäß § 70 Abs 2 EStG die Kindergeldfestsetzung zum Teil aufzuheben und Kindergeld nur in Höhe eines Differenzbetrages festzusetzen, weil nach Art 67, Art 68 Abs 1 Buchst i, Abs 2 VO (EG) Nr 883/2004 aufgrund der Erwerbstätigkeit des Vaters in Schweden ein vorrangiger Anspruch der Mutter auf Familienleistungen in Schweden besteht (BFH v 14.04.2021, III R 36/20, BFH/NV 2021, 1305).
Bei länderübergreifenden Sachverhalten besteht bei der Rückforderung von zu Unrecht gezahltem Kindergeld durch die Familienkasse keine Anspruchskonkurrenz des Anspruchs nach den europarechtlichen Regelungen der VO Nr 883/2004 und VO Nr 987/2009 mit dem Rückforderungsanspruch nach den nationalen Vorschriften. Ein Ausgleichsanspruch zwischen den Mitgliedstaaten nach der VO Nr 987/2009 berührt deshalb nicht den Rückforderungsanspruch der Familienkasse gegen den Kindergeldberechtigten, weil es sich bei dem Erstattungsanspruch des deutschen Leistungsträgers gegen einen ausländischen Leistungsträger nach den europarechtlichen Bestimmungen nicht um einen auf steuerrechtlichen Gründen beruhenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nach § 37 Abs 2 AO handelt, BFH v 14.04.2021, III R 36/20, BFH/NV 2021, 1305.
Rn. 135
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
vorläufig frei