1. Schädliche und unschädliche Vorbehalte
Rn. 87
Stand: EL 170 – ET: 01/2024
Gemäß § 6a Abs 1 Nr 2 EStG (2. Alt; s Rn 84) darf eine Rückstellung nur gebildet werden, wenn die Pensionszusage entweder keinen Vorbehalt enthält,
Zitat
"dass die Pensionsanwartschaft oder die Pensionsleistung gemindert oder entzogen werden kann",
oder einen Vorbehalt enthält, der
Zitat
"sich nur auf Tatbestände erstreckt, bei deren Vorliegen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unter Beachtung billigen Ermessens eine Minderung oder ein Entzug der Pensionsanwartschaft oder der Pensionsleistung zulässig ist."
Folglich schließen Vorbehalte, die einen Widerruf der Pensionszusage nach "freiem Ermessen" oder "freiem Belieben" ermöglichen (zu diesen Begriffen vgl BAG vom 16.03.1982, DB 1982, 1939), die Rückstellungsbildung aus.
Rn. 88
Stand: EL 170 – ET: 01/2024
Mangels einer eigenen steuerrechtlichen Definition ergeben sich die "allgemeinen Rechtsgrundsätze" für steuerlich zulässige Widerrufsvorbehalte aus dem Arbeits- und Zivilrecht. Nach der Rspr des BAG darf in aller Regel nur nach "billigem Ermessen" widerrufen werden. Dies gilt selbst dann, wenn die Pensionszusage Vorbehalte aufweist, die einen Widerruf nach "freiem Ermessen" oder "freiem Belieben" gestatten. Wenn folglich ein Vorbehalt, der einen Widerruf nach "freiem Ermessen" erlaubt, nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ohne Wirkung ist, besteht die zivilrechtliche Pensionsverpflichtung fort, ohne dass eine Minderung oder ein Entzug möglich ist. Trotzdem darf keine Pensionsrückstellung für diese Verpflichtung gebildet werden. Denn § 6a Abs 1 Nr 2 EStG ist eine eigenständige steuerliche Regelung, die die Vorbehalte "freien Ermessens" und "freien Beliebens" unabhängig von ihrer arbeitsrechtlichen Wirksamkeit als rückstellungshindernd behandelt (Stöckler/Karst, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 2. Teil Rz 351ff (Lfg 49); Höfer/Veit/Verhuven, BetrAVG Bd II Kap 2 Rz 120 (Januar 2023)).
2. Regelungen in den EStR zu steuerschädlichen und steuerunschädlichen Widerrufsvorbehalten
a) Katalog unschädlicher Vorbehalte
Rn. 89
Stand: EL 170 – ET: 01/2024
Die Regelungen in R 6a Abs 3–6 EStR 2012 gelten im Wesentlichen unverändert seit 1959, wurden also der in der Zwischenzeit eingetretenen arbeitsrechtlichen Entwicklung nicht angepasst. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass auf eine alte Entscheidung des BAG vom 14.12.1956, BStBl I 1959, 258 Bezug genommen wird. Die Regelungen haben aber vor allem hinsichtlich der sog steuerunschädlichen Mustervorbehalte nach wie vor Bedeutung. Diese Mustervorbehalte gliedern sich gemäß R 6a Abs 4 S 3 EStR 2012 in den allgemeinen Vorbehalt und die speziellen Vorbehalte. Der allgemeine Vorbehalt lautet folgendermaßen:
Zitat
"Die Firma behält sich vor, die Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn die bei Erteilung der Pensionszusage maßgebenden Verhältnisse sich nachhaltig so wesentlich geändert haben, dass der Firma die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen auch unter objektiver Beachtung der Belange des Pensionsberechtigten nicht mehr zugemutet werden kann";
Die speziellen Vorbehalte lauten:
Zitat
„Die Firma behält sich vor, die zugesagten Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn
a) die wirtschaftliche Lage des Unternehmens sich nachhaltig so wesentlich verschlechtert hat, dass ihm eine Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen nicht mehr zugemutet werden kann, oder
b) der Personenkreis, die Beiträge, die Leistungen oder das Pensionierungsalter bei der gesetzlichen Sozialversicherung oder anderen Versorgungseinrichtungen mit Rechtsanspruch sich wesentlich ändern, oder
c) die rechtliche, insbesondere die steuerrechtliche Behandlung der Aufwendungen, die zur planmäßigen Finanzierung der Versorgungsleistungen von der Firma gemacht werden oder gemacht worden sind, sich so wesentlich ändert, dass der Firma die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen nicht mehr zugemutet werden kann, oder
d) der Pensionsberechtigte Handlungen begeht, die in grober Weise gegen Treu und Glauben verstoßen oder zu einer fristlosen Entlassung berechtigen würden”.
Die steuerunschädlichen Vorbehalte dürfen auch inhaltlich ähnliche Formulierungen beinhalten.
b) Geringere Anforderungen bei Versorgungsempfängern
Rn. 90
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R 6a Abs 3 S 5 und 6 EStR 2012 lassen eine Rückstellung für Versorgungsverpflichtungen gegenüber Versorgungsempfängern, also für bereits laufende Versorgungsleistungen, auch dann zu, wenn die Zusage mit einem Widerrufsvorbehalt nach freiem Belieben versehen ist. In diesem Fall kann mit der Rückstellungsbildung in dem Wj begonnen werden, in dem der Versorgungsfall eintritt oder kurz bevorsteht, wobei eine etwaige Anwartschaft auf Hinterbliebenenleistungen einbezogen werden darf. Hierbei handelt es sich um eine weitergeltende Billigkeitsregelung der FinVerw, die allerdings nicht erweiterungsfähig ist. Arbeitsrechtlich wird ein Widerruf nach freiem Belieben nicht geduldet, weshalb diesem Widerrufsvorbehalt keine praktische Bedeutung zukommt. Für den Widerruf müssen immer sachliche Gründe angeführt werden (BAG vom 17.05.1973, 3 AZR 381/72, BB 1983, 1309).
c) Übertragung auf externen Versorgungsträger
Rn. 91
Stand: EL 170 – ET: 01/2024
In den Hinweisen zu R 6a Abs 3 EStR 2012 äußert sich die FinVerw zur Steue...