1. Historische Entwicklung
Rn. 197
Stand: EL 170 – ET: 01/2024
§ 6a Abs 3 S 3 Hs 1 EStG legt den bei der Teilwertermittlung anzusetzenden Rechnungszinsfuß im fest. § 6a EStG aF (1955) sah einen Mindestrechnungszinsfuß von 3,5 % vor. Die Wahl eines höheren Zinssatzes war möglich. Nach der Erhöhung des Mindestrechnungszinsfußes durch das StÄndG 1960 (BGBl I 1960, 616) auf 5,5 % übernahm ihn das 1974 in Kraft getretene BetrAVG. Ab 1982 wurde der Rechnungszinsfuß auf 6 % erhöht (s Rn 199ff).
Um die zusätzliche Steuerlast, die sich aus einer Erhöhung des Rechnungszinsfußes ergeben hat, abzumildern, schuf der Gesetzgeber Übergangsregelungen, deren Auswirkungen sich jedoch längstens auf diejenigen Wj erstreckt hatten, die vor dem 01.07.1994 endeten.
Rn. 198
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Während der deutschen Teilung galt für Betriebsstätten in Berlin-West abweichend von § 6a Abs 3 S 3 EStG ein niedrigerer Rechnungszinsfuß. Er betrug ursprünglich 3,5 % und war laut § 13a Abs 1 BerlinFG ein Mindestzinsfuß, wobei allerdings der Zins gemäß § 6a EStG iHv 6 % als "Höchstzinssatz" angesehen werden musste. Das 2. HStruktG (BGBl I 1981, 1523) erhöhte den Rechnungszinsfuß für Wj, die nach dem 31.12.1981 endeten, auf 4 %. Das StRefG 1990 (BGBl I 1988, 1093) setzte für Wj, die nach dem 31.12.1989 endeten, den Zins auf 5 % fest.
Mit dem Beitritt der Länder der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland verlor Berlin-West seine politische Sonderstellung. Das StÄndG 1991 (BGBl I 1991, 1322) bestimmte daher, dass § 13a BerlinFG nur noch für diejenigen Wj anzuwenden war, die vor dem 01.07.1991 endeten. Für Wj, die nach dem 30.06.1991 endeten, gilt auch in Berlin-West gemäß § 6a Abs 3 S 3 EStG ein Rechnungszinsfuß iHv 6 %.
2. Aktueller Rechnungszinsfuß
Rn. 199
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Das 2. HStruktG (BGBl I 1981, 1523) erhöhte den Rechnungszinsfuß auf den noch heute gültigen Satz von 6 %. Die Heraufsetzung gilt für alle Wj, die nach dem 31.12.1981 endeten. Das BVerfG (BVerfG vom 28.11.1984, BStBl II 1985, 181) erklärte die Anhebung des Rechnungszinsfußes auf 6 % als noch mit dem GG vereinbar, äußerte jedoch Bedenken gegen den Rechnungszinsfuß, falls er durch beim Gesetzgebungsverfahren nicht abzusehende Entwicklungen in Frage zu stellen sei (s Rn 202ff).
Rn. 200
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Aus dem steuerrechtlichen Passivierungswahlrecht für vor dem 01.01.1987 erteilte Versorgungszusagen (Altzusagen, s Rn 18) folgt, dass für sie die Rückstellungsberechnungen faktisch auch mit einem höheren Zins als 6 % durchgeführt werden können. Denn wenn gar nicht passiviert werden muss, kann auch ein höherer Zins bei der Berechnung der Pensionsrückstellung angewendet werden. Dadurch wird der mit 6 % kalkulierte Teilwert unterschritten.
Rn. 201
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Der gesetzlich vorgeschriebene Rechnungszinsfuß iHv 6 % für nach dem 31.12.1986 erteilte Versorgungszusagen hat für die folgenden Sachverhalte praktische Bedeutung:
(1) |
In einem Wj kann höchstens die Zuführung vorgenommen werden, die sich aus der Differenz zwischen den Teilwerten am Schluss des Wj und am Schluss des vorangegangenen Wj auf einer Zinsbasis von 6 % ergibt (§ 6a Abs 4 S 1 EStG); ein übersteigender Rückstellungsbetrag muss ggf aufgelöst werden. |
(2) |
Wenn auf der Grundlage eines höheren Zinssatzes für Altzusagen (s Rn 200) eine Zuführung vorgenommen wird, die unter der höchstzulässigen Zuführung liegt, so gilt für die Minderzuführung das Nachholverbot (s Rn 240ff) bis zum Eintritt des Versorgungsfalles bzw bis zum Ausscheiden mit aufrechterhaltender Anwartschaft. |
(3) |
Eine Rückstellung darf grds nur insoweit aufgelöst werden, als dadurch der mit einem Rechnungszinsfuß iHv 6 % kalkulierte Teilwert der am Schluss des Wj bestehenden Pensionsverpflichtung nicht unterschritten wird. |
3. Verfassungskonformität des 6 %igen Rechnungszinsfußes
Rn. 202
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Das BVerfG (BVerfG vom 28.11.1984, 1 BvR 1157/82, Rz 49) hatte im Jahr 1984 anlässlich der ihm vorgelegten Frage, ob die Anhebung des Zinssatzes von 5,5 % auf 6 % noch verfassungskonform sei, darauf hingewiesen, dass nicht jeglicher gesetzliche Rechnungszinsfuß zu billigen sei. Es führte aus:
Zitat
"Sollten sich in Zukunft die wirklichen Verhältnisse so einschneidend ändern, dass die Grundlage der gesetzgeberischen Entscheidung durch neue, im Zeitpunkt des Gesetzeserlasses noch nicht abzusehende Entwicklungen in Frage gestellt wird, dann kann der Gesetzgeber von Verfassungs wegen gehalten sein, zu überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung auch unter den veränderten Umständen aufrechtzuerhalten ist."
Seit 1984 hat sich aber das nachhaltige Zinsniveau des Kapitalmarktes entscheidend geändert. Während damals das nachhaltige Zinsniveau des Kapitalmarktes im Durchschnitt der letzten zehn Jahre bei ca 7,7 % lag, machte es 2022 nur noch ca 1,78 % aus (RückstellungsabzinsungsVO zu § 253 Abs 2 S 4f HGB, Höfer/de Groot/Küpper, BetrAVG Bd I Arbeitsrecht, § 16 Rz 220 (März 2023) Tabelle, nicht eingeklammerter Wert). Der Unterschied zwischen einer Abzinsung mit 6 % oder mit nur 1,78 % ist ganz erheblich. Wenn ein in zwölf Jahren fälliges...