Tobias Müller, Dr. Katrin Dorn
Rn. 151
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
§ 6b EStG findet Anwendung auf die Veräußerung bestimmter WG des AV, die Abs 1 (sowie Abs 10) abschließend benennt. Zu diesen Anlagegütern gehören
- Grund und Boden,
- Aufwuchs auf Grund und Boden mit dem dazugehörigen Grund und Boden, wenn der Aufwuchs zu einem luf BV gehören,
- Gebäude,
- Binnenschiffe bei Veräußerungen ab dem 01.01.2006,
- Anteile an KapGes bei Veräußerungen nach dem 31.12.2001.
Nach der wirtschaftspolitischen Zielrichtung der Rechtsnorm (s Rn 1) beschränkt sich der Anwendungsbereich des § 6b EStG von jeher auf WG, in deren Wertansätzen sich üblicherweise im Zeitverlauf hohe stille Reserven bilden und bei denen die Anpassung an strukturelle Veränderungen besonders vordringlich ist. Grund und Boden und Gebäude sowie Bestandteile landwirtschaftlicher Betriebe sind immer Bestandteil der Begünstigungsnorm gewesen. Soweit noch aktuell, werden nachstehend die begünstigten Objekte im Zeitverlauf dargestellt (s Rn 156ff).
Rn. 152
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Für die inhaltliche Abgrenzung gilt:
- Grund und Boden schließt begrifflich Gebäude und Bodenschätze aus ("nackter" Grund und Boden). Auch grundstücksgleiche Rechte, Erbbaurechte, Wasserbezugsrechte, Mineralgewinnungsrechte etc fallen nicht unter den Begriff "Grund und Boden" (BFH BStBl II 2003, 878 zu einem Auffüllrecht mit Klärschlamm).
- Aufwuchs sind lebende, im Boden verwurzelte und dort gewachsene Pflanzen, also Bäume, Obst- und Rebanlagen etc; der Aufwuchs muss zu einem luf Vermögen gehören.
- Anlagen in Grund und Boden sind Be- und Entwässerungsanlagen, Brunnen, Schleusen und Brücken sowie befestigte Wege.
- Das Gebäude ist einerseits vom Grund und Boden (BFH BStBl II 1969, 108), andererseits von anderen unbeweglichen WG ohne einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem Gebäude zu verstehen; abzugrenzen ist das Gebäude als WG insb von den Mieter- und Pächtereinbauten, Schaufensteranlagen uÄ sowie Betriebsvorrichtungen (im Einzelnen s § 6 Rn 524ff (Dräger/Dorn)).
- Die Erweiterung von Gebäude, deren Aus- und Umbau steht – soweit Herstellungsaufwand (s § 6 Rn 547, 556ff (Dräger/Dorn)) – der Anschaffung oder Herstellung gleich; allerdings beschränkt sich die Übertragungsmöglichkeit für die stillen Reserven auf die HK der Erweiterung selbst.
- Anteile an KapGes bestimmen sich nach dem Regelungsinhalt und der Auslegung zu § 17 Abs 1 S 3 EStG (s § 17 Rn 40ff (Karrenbrock)).
Rn. 153
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Rücklagen iSd § 6b EStG können auch bei Veräußerungen von Sonder-BV gebildet werden. In diesem Fall ist die Rücklage in der durch die Gesellschaft auszustellenden Sonderbilanz zu passivieren. Dies gilt auch bei ausgeschiedenen Gesellschaftern. Dabei ist das Wahlrecht zur Bildung der Rücklage nach § 6b Abs 3 S 1 EStG von dem Mitunternehmer persönlich auszuüben.
Grundsätzlich wird vermutet, dass die Sonderbilanz mit dem Mitunternehmer abgestimmt ist. Diese Vermutung gilt nicht bei einem ausgeschiedenen Gesellschafter (vgl BFH IV R 14/04, BStBl II 2006, 418).
Auch bei Veräußerung eines Mitunternehmeranteils kann der Gesellschafter eine Rücklage nach § 6b EStG bilden, soweit der Veräußerungsgewinn auf begünstigte WG iSd § 6b EStG entfällt. Im Grundsatz gilt, dass das Bilanzierungswahlrecht für die Bildung der §-6b-Rücklage auf Ebene der Gesellschaft auszuüben ist (vgl BFH v 25.01.2006, BStBl II 2006, 418 und BFH v 19.12.2012, BStBl II 2013, 313). Bei dem veräußernden Gesellschafter ist dieses Bilanzierungswahlrecht für die Fortführung und Auflösung der §-6b-Rücklage durch Abgabe entsprechender Bilanzen im Rahmen seiner ESt-Erklärung auszuüben. Die für den veräußernden Gesellschafter geltende Reinvestitionsfrist zur Übertragung stiller Reserven nach § 6b EStG wird nicht durch auf Ebene der Gesellschaft veranlasste Ereignisse verkürzt (vgl Senatsverwaltung für Finanzen Berlin v 05.03.2020, III B-S 2139–1/2014–1, FMNR303150020).
Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Gesellschafter seine gesamte Beteiligung an der PersGes veräußert, aus dieser ausscheidet und in diesem Zusammenhang eine Rücklage nach § 6b EStG gebildet wird. Ungeachtet dessen, dass die Entscheidung über die Bildung der Rücklage in einem solchen Fall nur für die Besteuerung des ausscheidenden Gesellschafters Bedeutung hat, ist sie gem § 180 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a AO im Gewinnfeststellungsverfahren der PersGes zu treffen, aus der der Gesellschafter ausgeschieden ist (vgl BFH v 12.07.2023, X R 14/21, BFH/NV 2023, 1450 Rz 31 und BFH v 25.01.2006, IV R 14/04, BStBl II 2006, 418). Die Entscheidung über die Einstellung der Rücklage in die Sonderbilanz der Mitunternehmerschaft obliegt dem zuständigen Betriebs-FA (vgl BFH v 25.07.1979, I R 175/76, BStBl II 1980, 43).
Da die Rücklage in einem solchen Fall nicht Bestandteil der Gesamthandsbilanz der Mitunternehmerschaft ist, bleibt bilanztechnisch nur die Möglichkeit, sie in eine Sonderbilanz des ausscheidenden Gesellschafters einzustellen. Wird die in der Sonderbilanz der Mitunternehmerschaft ausgewiesene und f...