Reinvestitionsrücklage bei Veräußerung eines Mitunternehmeranteils
Mit einer Reinvestitionsrücklage besteht die Möglichkeit, die Besteuerung stiller Reserven hinauszuschieben. Die stillen Reserven können für die Ersatzbeschaffung bestimmter Wirtschaftsgüter, die nicht sofort erfolgt, in diese Rücklage eingestellt werden. Mit der Auflösung dieser Rücklage bei Anschaffung des Ersatzwirtschaftsgutes erfolgt dann die zeitlich hinausgeschobene Besteuerung.
Praxis-Hinweis: Rücklage nach § 6b EStG kann auch bei der Veräußerung eines Anteils an einer Mitunternehmerschaft gebildet werden
Strittig war in der Entscheidung ( BFH Urteil vom 12.07.2023 - X R 14/21), welches Finanzamt für die Frage der Auflösung einer Rücklage nach § 6b EStG bei einem ausgeschiedenen Gesellschafter zuständig ist:
- Das Finanzamt, das den ursprünglichen Bescheid, in dem die Rücklage anerkannt wurde, erlassen hat oder
- das Wohnsitzfinanzamt des ausgeschiedenen Gesellschafters (in der steuerrechtlichen Terminologie Mitunternehmer)?
Durchaus von Interesse ist dabei eine Aussage des BFH, die hier nicht von zentraler Bedeutung war, da der BFH diese für offensichtlich erachtete, die aber vielen nicht so ganz eindeutig sein dürfte:
Eine Rücklage nach § 6b EStG kann auch bei der Veräußerung eines Anteils an einer Mitunternehmerschaft gebildet werden, wenn diese Mitunternehmerschaft ihrerseits begünstigte Wirtschaftsgüter hat – in der Praxis also regelmäßig Grund und Boden.
Hintergrund ist, dass eine Mitunternehmerschaft im Normalfall steuerrechtlich als transparent angesehen wird und deshalb der Mitunternehmer mit seinem Anteil "auch" Anteile am Grund und Boden veräußert. Dies nur am Rande.
Der BFH vertrat sodann die Auffassung, dass über die Frage, ob die Rücklage gebildet werden darf, das Finanzamt der Mitunternehmerschaft zu entscheiden hat. Dies erscheint zutreffend, da nur das Finanzamt der Mitunternehmerschaft regelmäßig entscheiden kann, ob die Voraussetzungen des § 6b EStG gegeben sind. Technisch wird dann die Rücklage in eine Sonderbilanz des ausgeschiedenen Gesellschafters eingestellt. Für die Auflösung der Rücklage in der Sonderbilanz ist dann nach Ansicht des BFH allerdings das Wohnsitzfinanzamt zuständig. Die Gründe, die der BFH hierfür anführt, insb. mögliche Interessengegensätze, sind nachvollziehbar und durchaus gut vertretbar, aber wohl nicht zwingend. Es wäre auch eine andere Kompetenzzuweisung möglich gewesen, da immer noch der Zusammenhang mit der ehemaligen Beteiligung besteht. In der Praxis wird es allerdings im Regelfall eher darauf ankommen, dass für Steuerpflichtige Rechtssicherheit bzgl. der Zuständigkeit besteht.
Wohnsitzfinanzamt löste Rücklage gewinnerhöhend auf
Der Kläger war an einer KG beteiligt, die Eigentümerin eines Grundstücks war. Als der Kläger im Jahr 2006 seine Beteiligung veräußert, beantragte er
- den Veräußerungsgewinn in eine Rücklage nach § 6b EStG einzustellen,
- da die Veräußerung des Anteils der Veräußerung des Grundstücks gleichzustellen sei.
Dies geschah nach einigen Diskussionen. Da die Rücklage nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von einer Neuanschaffung abgezogen wurde, löste das Wohnsitzfinanzamt des Klägers im Einkommensteuerbescheid 2010 die Rücklage gewinnerhöhend auf und setzte einen Zuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG fest. Hiergegen wandte sich der Kläger erfolglos im Einspruchs- und Klageverfahren. Dabei vertrat er v. a. die Auffassung, dass für die Entscheidung über die Auflösung der Rücklage das Betriebsstättenfinanzamt der KG zuständig gewesen ist. Dies gelte auch, obwohl der Kläger im Jahr 2010 nicht mehr Mitunternehmer der im Jahr 2009 in die Insolvenz gefallenen KG gewesen ist. Die Klägerin wandte sich nach dem erfolglosen Klageverfahren im Wege der Revision an den BFH.
BFH: Wohnsitzfinanzamt ist zuständig
Der BFH wies die Revision allerdings als unbegründet zurück. Das FG München hat zutreffend entschieden, dass das Wohnsitzfinanzamt zuständig für die Entscheidung über die Frage der Auflösung der Rücklage gewesen ist. Hierbei ist unstrittig, dass die Rücklage zunächst gebildet werden durfte und später aufzulösen gewesen ist, da nicht innerhalb der Frist eine Anschaffung eines neuen Wirtschaftsgutes erfolgt ist, auf dessen Anschaffungskosten die Rücklage übertragen wurde.
Eine Rücklage nach § 6b EStG kann auch erfolgen,
- wenn ein Mitunternehmeranteil veräußert wird und
- in der Mitunternehmerschaft die Voraussetzungen des § 6b EStG vorliegen.
Grundsätzlich ist Entscheidung über die Rücklagenbildung durch das Betriebsstättenfinanzamt zu treffen. Sodann stellt sich aber die Frage, welches Finanzamt für die Auflösung der Rücklage, die in eine Sonderbilanz des ausgeschiedenen Gesellschafters einzustellen ist, zuständig ist. Der BFH hat hierzu verschiedentlich geurteilt, dass bei nachträglichen gewerblichen Einkünften von ehemaligen Mitunternehmern diese nicht mehr in das Gewinnfeststellungsverfahren der Mitunternehmerschaft einzubeziehen sind. Dies gilt auch für die Einnahmen aus der Auflösung der Sonderbilanz. Insofern war hier das Wohnsitzfinanzamt für die Entscheidung darüber, ob die in der Sonderbilanz ausgewiesenen Rücklage nach § 6b EStG aufzulösen war, zuständig.
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