EU-Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung


EU-Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung

Um die Nachhaltigkeitsberichterstattung im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) vergleichbarer auszugestalten, plant die EU eigene Standards (European Sustainability Reporting Standards, ESRS) zu erlassen, die über delegierte Rechtsakte unmittelbar beachtensnötig für die Unternehmen sind.

Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS)

In der verabschiedeten Fassung der CSRD ist eine Ermächtigung der Europäischen Kommission enthalten, EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (European Sustainability Reporting Standards, ESRS) mittels delegierter Rechtsakte zu erlassen, um die inhaltlichen Berichtspflichten weiter zu konkretisieren. Die Europäische Kommission hat für die Entwicklung der Standards auf die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) zurückgegriffen.

Ein erstes Set an 12 Standardentwürfen der EFRAG liegt bereits bei der EU und durchläuft derzeit den Anerkennungsprozess ( hier abrufbar). Nach deren Prüfung und Übersetzung in alle Amtssprachen der EU sollen diese als verbindliche Standards bis Juni 2023 bekannt gemacht werden.

Allerdings stehen noch weitere angekündigte Standardentwürfe, etwa für KMU- und Branchenbelange, aus, zu denen im Laufe dieses Jahres und der kommenden Jahre Entwürfe entwickelt und jeweils mit einem Konsultationsverfahren öffentlich zur Diskussion gestellt werden sollen, bevor dann ebenfalls das formale Anerkennungs- und Bekanntmachungsverfahren der EU durchlaufen werden kann.

Als Voraussetzung für eine Anerkennung der besagten Standards werden Mindestqualitätskriterien, zu erfassende Inhalte und zu berücksichtigende EU-Vorgaben definiert. Vor allem mit dem Erfordernis der Konnektivität der Berichtsanforderungen mit anderen EU-Vorgaben – wie etwa die Taxonomie-Verordnung oder die Offenlegungs-Verordnung – begründet die Europäische Kommission die Notwendigkeit eigener EU-Nachhaltigkeitsstandards.

Ungeachtet dessen nimmt die EU in der CSRD auch Bezug auf bereits existierende, globale Standards bzw. Rahmenwerke zur Nachhaltigkeitsberichterstattung; zudem werden die Bestrebungen der IFRS Foundation, eigene globale Nachhaltigkeitsstandards über das ISSR zu entwickeln, zumindest erwähnt. Um eine unnötige regulatorische Fragmentierung der Unternehmensberichterstattung – insbesondere für weltweit agierende Unternehmen – zu vermeiden, sollen die von der EFRAG entwickelten Standards in möglichst enger Abstimmung zu den genannten internationalen Verlautbarungen stehen. Hier hat es zumindest im Rahmen der Konsultation gewisse Annäherungen gegeben, allerdings gibt es noch deutliche Unterschiede was die Adressaten und der Umgang mit der Wesentlichkeit anbelangt.

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Gem. CSRD sollen die entwickelten Standards der EU zur Nachhaltigkeitsberichterstattung

  • verständlich ("understandable"),
  • relevant ("relevant"),
  • repräsentativ ("representative"),
  • nachprüfbar ("verifiable") sowie
  • vergleichbar ("comparable")

sein und dazu führen, dass Nachhaltigkeitsinformationen in getreuer Art und Weise offengelegt werden ("represented in a faithful manner"). In Bezug auf die Berichtsinhalte, welche die Standards abzudecken haben, sind in der CSRD die Themenbereiche "Environmental", "Social" und "Governance" (ESG) wie folgt verankert:

  • Environmental mit Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, Wasser und Meeresressourcen, Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft, Umweltverschmutzung sowie Biodiversität und Ökosysteme, was deckungsgleich mit den 6 Umweltzielen des Art. 9 der Taxonomie-Verordnung ist;
  • Social mit Gleichberechtigung (z. B. Gender, Personen mit Behinderung), Arbeitsbedingungen (z. B. Sicherheit, Vergütung, Dialog, Work-Life-Balance) sowie Menschenrechte, Grundrechte und demokratische Prinzipien;
  • Governance mit Rolle der Organe (insbesondere hinsichtlich Nachhaltigkeitsfaktoren), Geschäftspraktiken und -kultur, Anti-Korruption, Politisches Engagement (inkl. Lobby-Aktivitäten) und Beziehungen zu Geschäftspartnern.

Praxis-Tipp: Beteiligung an Standardsetzungsprozess

Es erscheint auch gerade angesichts der Zeitknappheit notwendig, den Standardsetzungsprozess intensiv zu begleiten und ggf. über die Interessenverbände hier einzugreifen, damit die Sicht der dieser Standards später anwendenden Unternehmen nicht zu kurz kommt. Gerade in diesen Themenbereichen sind derzeit starke Lobbyinteressen vieler NGOs vertreten, die die Unternehmensverbände teilweise stark in die Defensive gedrängt haben. Auch wenn das beabsichtigte Ziel sicher grundsätzlich von den allermeisten Unternehmen geteilt wird und auch schon sehr viele nachhaltig unterwegs sind, müssen die Standards letztlich aber auch umsetzbar sein, ohne sich aufgrund unklarer Regelungen in Sanktionsrisiken ausgesetzt zu sehen.

Überblick der Themen des ersten Sets an ESRS

Einen Eindruck der dabei schon jetzt absehbaren Ausgestaltung der Nachhaltigkeitsberichterstattung bietet eine Betrachtung der bislang schon 12 Standards, welche im Entwurf veröffentlicht wurden. Dabei wurden von dem EFRAG Sustainability Reporting Board bereits ein Standard gegenüber der Konsultationsfassung ganz gestrichen und die Offenlegungspflichten von 136 auf 84 verkürzt.

Querschnittsnormen

  • ESRS 1 Allgemeine Grundsätze
  • ESRS 2 Allgemeine Offenlegungsanforderungen für Strategie, Unternehmensführung und Wesentlichkeitsbewertung

Umweltaspekte

  • ESRS E1 Klimawandel
  • ESRS E2 Verschmutzung
  • ESRS E3 Wasser- und Meeresressourcen
  • ESRS E4 Biodiversität und Ökosysteme
  • ESRS E5 Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft

Sozialaspekte

  • ESRS S1 Eigene Belegschaft
  • ESRS S2 Arbeitnehmer in der Wertschöpfungskette
  • ESRS S3 Betroffene Gemeinden
  • ESRS S4 Verbraucher und Endnutzer

Governanceaspekte

  • ESRS G1 Geschäftsgebaren

Als weitere Informationen bietet die EFRAG verschiedene Begleitschreiben und Anhänge, in denen etwa zu den Verantwortlichkeiten, Abgleichen mit den TCFD und IFRS-Nachhaltigkeitsstandards bis hin zu Akronymen und Begriffsglossar weitere wertvolle Informationen gefunden werden können. Die Informationen zu der Veränderung der Entwürfe nach der Konsultation sind in einem aktuellen Schreiben zusammengefasst (alles hier abrufbar).

In auf 84 verkürzten Offenlegungspflichten, die jeweils noch mit verschiedenen konkretisierenden Angabepflichten unterlegt sind, reicht die Palette von

  • notwendigen Angaben zu Treibhausgasemissionen (auf den Ebenen Scope 1 bis 3) über
  • Auswirkungen des Unternehmenshandelns auf die Biodiversität und Angaben zur Einhaltung der Menschenrechte bis hin zu
  • Angaben zur Unternehmensführung und -überwachung sowie angewandten Strategien und Normen.

Dabei sind die Angaben teilweise bereits verpflichtend in der HGB-Rechnungslegung – zumindest für einige Unternehmen, so sind etwa nichtfinanzielle Leistungsindikatoren bereits seit 2 Jahrzehnten zumindest bei großen Kapitalgesellschaften in die Lageberichterstattung einzubeziehen. Allerdings kommt es in vielen Fällen zu einer Ausweitung des Anwenderkreises, etwa wenn Angaben, die bislang nur für kapitalmarktorientierte Unternehmen in der Erklärung zur Unternehmensführung (EzU) nach § 289f HGB erforderlich sind, nun nach der Überarbeitung der Entwürfe zumindest mit Fokus auf die Nachhaltigkeitsaspekte auch nach ESRS 2 gefordert werden. Zudem werden die über die Taxonomie-Verordnung geforderten Angaben mit den Offenlegungspflichten nach den ESRS verknüpft, sodass im Ergebnis auch diese Regulierung ab 2025 direkt große Kapitalgesellschaften und denen über § 264a HGB gleichgestellte Personenhandelsgesellschaften betreffen wird.

Enorme Lücke zwischen bisheriger freiwilliger Berichterstattung und CSRD

Aktuelle Untersuchungen (vgl. Warnke/Needham/Müller, BC 2022 S. 466-472) sehen angesichts dieser hohen Anforderungen eine enorme Lücke zwischen den aktuell freiwilligen und teilweise preisgekrönten Nachhaltigkeitsberichten mittelständischer Unternehmen mit den Anforderungen nach der CSRD i. V. m. den ESRS. Aktuell wird selbst von diesen Vorreitern im Durchschnitt lediglich 1/3 der Offenlegungspflichten erfüllt, was auch für diese Unternehmen einen erheblichen zu schließenden Nachholbedarf bis 2025 bedeutet.

Vor diesem Hintergrund erscheint es hochrelevant, sich mit dieser bestehenden Lücke zu befassen und Maßnahmen zur Schließung baldmöglich anzustoßen.

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