A. Regelungsgehalt und Rechtsentwicklung
Schrifttum:
Kraft in Kanzler/Kraft/Bäuml, § 6e EStG (Stand: 01.01.2020);
Prinz, Fondsetablierungskosten im Verfassungsstreit, DB 2020, 2720;
Rüsch, Zweifelsfragen bei der Umqualifizierung von BA/WK in AK durch die Neuregelung von § 6e EStG für "Fondsetablierungskosten", DStR 2020, 1172;
Schindler in Kirchhof/Seer, § 6e EStG (20. Aufl. 2021).
Verwaltungsanweisungen:
BMF v 20.10.2003, BStBl I 2003, 546 (Bauherren- und Fonds-Erlass).
Rn. 1
Stand: EL 155 – ET: 12/2021
§ 6e EStG regelt die Fondsetablierungskosten als "AK". Die Regelung wurde als Reaktion auf die Rspr des BFH durch das JStG 2019 (s vor § 1 Rn 234 (Bitz), zur Anwendung s Rn 6) ins Gesetz aufgenommen (s Art 1 Nr 7 des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v 12.12.2019, BGBl I 2019, 2451). Im Ergebnis möchte der Gesetzgeber die vor Einführung des § 15b EStG geltende Rechtsauffassung durch "ein weiteres Beispiel der Nichtanwendungsgesetzgebung von höchstrichterlichen Entscheidungen" wiederherstellen (Kraft in Kanzler/Kraft/Bäuml, § 6e EStG Rz 1, 2 (Stand: 01.01.2020)).
Rn. 2
Stand: EL 155 – ET: 12/2021
In seiner bisherigen Rspr hatte der BFH unter Rückgriff auf § 42 AO sog Fondsetablierungskosten als AK der WG betrachtet, welche der jeweilige Fonds angeschafft hat. So sind zB nach Urt BFH v 14.04.2011, IV R 8/10, BStBl II 2011, 709 bei modellhafter Gestaltung gebündelter Verträge Aufwendungen eines in der Rechtsform einer GmbH & Co KG geführten Schiffsfonds für die wirtschaftliche und steuerliche Konzeption, die Platzierung des EK, die Geschäftsbesorgung, die Prospekterstellung, die Finanzierungsvermittlung sowie für die Kontrolle der Mittelverwendung in der StB der KG auf Basis von § 42 AO in voller Höhe als AK des Schiffs (hier Tankschiff) zu behandeln, wenn sich die Kommanditisten aufgrund eines vom Projektanbieter vorformulierten Vertragswerks an dem Fonds beteiligen.
Die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs begründete der BFH damit, dass der Besteuerung anstelle einer wirtschaftlich unangemessenen Gestaltung der Rechtsverhältnisse diejenige Rechtsgestaltung unterworfen wird, die den wirtschaftlichen Vorgängen angemessen gewesen wäre. Dabei bestände die angemessene Gestaltung in der Vereinbarung eines Gesamtkaufpreises für das WG und nicht in darin, gesonderte Verträge über Dienstleistungen mit entsprechenden Honoraren zu vereinbaren, um auf diese Weise sofort abzugsfähige Ausgaben zu schaffen, die zu einer erheblichen Senkung der Steuerlast der Anleger führen, so dass die im Zusammenhang mit der Abwicklung des Projekts vereinbarten Provisionen oder "Gebühren" wie AK des WG zu werten sind (sog einheitliche Betrachtung des Vertragswerks für Zwecke der Besteuerung).
Die FinVerw teilte diese Auffassung des BFH (sog Fondserlass, vgl BMF v 20.10.2003, BStBl I 2003, 546).
Rn. 3
Stand: EL 155 – ET: 12/2021
Durch die Einführung des § 15b EStG mit Wirkung zum VZ 2005 sieht der BFH jedoch keine Möglichkeit, diese Rspr aufrechtzuerhalten. Denn der allgemeinen Regelung des § 42 AO steht nun mit § 15b EStG eine spezifische Missbrauchsnorm gegenüber, so dass für Jahre seit Inkrafttreten des § 15b EStG die auf § 42 AO gestützte Rspr zur Berücksichtigung von Fondsetablierungskosten bei modellhafter Gestaltung nicht mehr angewendet werden kann (vgl Urt des BFH v 26.04.2018, IV R 33/15, BStBl II 2020, 645). Denn mit der Einführung von § 15b EStG hat der Gesetzgeber nach Auffassung des BFH zu erkennen gegeben, dass er Steuerstundungsmodelle, bei denen dem StPfl aufgrund eines vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit geboten werden soll, zumindest in der Anfangsphase der Investition seine Steuerlast zu senken, dem Grunde nach anerkennt und lediglich dann einer Verlustverrechnungsbeschränkung unterwirft, wenn ein Verlust entsteht und dabei die in § 15b Abs 3 EStG aufgeführten Grenzen überschritten werden.
In dieser Situation ist es der Rspr verwehrt, entsprechenden Vorteilen durch Anwendung des § 42 AO die steuerliche Anerkennung zu versagen. Dementsprechend kann danach der begehrten sofortigen Abzugsfähigkeit der streitigen Aufwendungen nicht entgegengehalten werden, dass sie nach der Rspr zur Berücksichtigung von Fondsetablierungskosten bei modellhafter Gestaltung als AK zu behandeln seien. Vielmehr sind diese Aufwendungen als sofortabzugsfähige BA oder WK zu berücksichtigen.
Rn. 4
Stand: EL 155 – ET: 12/2021
Auf diese Rspr des BFH hat der Gesetzgeber mit Einfügung des § 6e EStG reagiert. Dabei definiert die Regelung ausweislich der Gesetzbegründung erstmals gesetzlich die
Zitat
"seit langem bestehende und gefestigte Rechtsauffassung, dass Fondsetablierungskosten, die vom Anleger im Rahmen des Erwerbs eines Fondsanteils zu zahlen sind, zu den AK der vom Fonds erworbenen WG gehören und damit nicht sofort in voller Höhe als BA oder WK abzugsfähig sind"
(Gesetzesentwurf der Bundesregierung "Entwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften"...