Rn. 187
Stand: EL 172 – ET: 04/2024
Da mit der Aufhebung oder Änderung der Kindergeldfestsetzung zu Lasten des Betroffenen der Rechtsgrund für das gezahlte Kindergeld entfällt, ist dieses gemäß § 37 Abs 2 AO zu erstatten. Die Einrede der Entreicherung findet keine Anwendung, BFH vom 28.03.2001, VI B 256/00, BFH/NV 2001, 1117.
Als Leistungsempfänger iSd § 37 Abs 2 AO ist der nach dem materiellen Steuerrecht Erstattungs- bzw Vergütungsberechtigte anzusehen, BFH vom 28.03.2001, VI B 256/00, BFH/NV 2001, 1117; BFH vom 24.08.2001, VI R 83/99, BStBl II 2002, 47; BFH vom 25.03.2003, VIII R 84/98, BFH/NV 2003, 1404. Dies gilt auch, wenn die Familienkasse das Kindergeld aufgrund einer Zahlungsanweisung des Schuldners an einen Dritten ausgezahlt hat (BFH vom 14.4.2021, III R 1/20, BStBl II S 700). Ein Dritter, der die Leistung tatsächlich empfängt, ist deshalb dann nicht Leistungsempfänger iSd § 37 Abs 2 AO, wenn die Zahlung an den Dritten aufgrund einer Anweisung des Erstattungs- bzw Vergütungsberechtigten erfolgt, BFH vom 25.03.2003, VIII R 84/98, BFH/NV 2003, 1404.
Leistungsempfänger ist der Kindergeldberechtigte, dem das Kindergeld als Steuervergütung (vgl § 31 Abs 3 EStG) zusteht, BFH vom 29.01.2003, VIII R 64/01, BFH/NV 2003, 905; BFH vom 16.03.2004, VIII R 48/03, BFH/NV 2004, 1218.
Das Kindergeld kann auch vom Miterben des Berechtigten zurückgefordert werden, FG Thüringen vom 26.04.2006, III 135/04, EFG 2006, 1852.
Rn. 188
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Auch der Einwand eines Sozialhilfeempfängers, der zu Unrecht erfolgte oder überhöhte Bezug von Kindergeld habe deshalb zu keiner Bereicherung geführt, weil bei einem Kindergeldbezug in der zutreffenden – geringeren – Höhe eine entsprechend höhere Zahlung von Sozialhilfe erfolgt sei, ist unbeachtlich; insoweit ist keine Saldierung zwischen Kindergeld und Sozialhilfe vorzunehmen, BFH vom 24.08.2001, VI R 83/99, BStBl II 2002, 47. In diesen Fällen kann jedoch ein Anspruch auf Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen insbesondere dann gegeben sein, wenn der Kindergeldberechtigte seinen Mitwirkungspflichten genügt hat, BFH vom 13.09.2018, III R 48/17, BStBl II 2019, 189; BFH vom 13.09.2018, III R 19/17, BStBl II 2019, 187; BFH vom 17.07.2019, III R 64/18, BFH/NV 2020, 7.
Vgl aber FG D'dorf vom 11.01.2018, 9 K 1625/17 AO: Verpflichtung zum Erlass des Kindergeldrückforderungsanspruchs im Falle einer Rückforderung von Kindergeld wegen Nichterfüllung der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen, soweit bei der Berechnung der Höhe des ALG II als Einkommen (§ 11 SGB II) Kindergeld angesetzt wurde, wenn bei einer Rückforderung des Kindergeldes eine nachträgliche Korrektur der Leistungen in Höhe des Kindergeldes nicht möglich ist und die Überzahlung auf das nicht fehlerfrei erscheinende Verhalten der Familienkasse und des Sozialleistungsträgers zurückzuführen ist.
FG Sachsen vom 07.11.2017, 3 K 69/17 (Kg) bejaht einen Erlassanspruch bereits dann, wenn bei der Berechnung von Arbeitslosengeld II Kindergeld angesetzt worden ist und im Hinblick auf die später erfolgende Rückforderung des Kindergeldes eine nachträgliche Erhöhung dieser Sozialleistung nicht in Betracht kommt.
Rn. 189
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Die Rechtmäßigkeit eines Rückforderungsbescheids wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass möglicherweise Gründe für einen Erlass vorliegen. Das Vorliegen von derartigen Gründen ist in einem selbstständigen Erlassverfahren zu prüfen, BFH vom 29.01.2003, VIII R 64/01, BFH/NV 2003, 905; Wendl in H/H/R, § 70 EStG Rz 13 (April 2020). Dem Rückforderungsanspruch kann jedoch der Grundsatz von Treu und Glauben entgegengehalten werden, soweit dessen Voraussetzungen vorliegen. Dies kann der Fall sein, wenn die Familienkasse mit der Geltendmachung der Rückforderung zu lange wartet, BFH vom 26.07.2001, VI R 163/00, BStBl II 2020, 174; BFH vom 14.10.2003, VIII R 56/01, BStBl II 2004, 123.
Ob in den sog Weiterleitungsfällen ein Verrechnungsvertrag anzunehmen ist, vgl FG He vom 27.09.2001, 3 V 483/01, EFG 2002, 104; BFH vom 11.10.2002, VIII B 172/01, BFH/NV 2003, 306, und dementsprechend bei Streitigkeiten darüber ein Abrechnungsbescheid zu ergehen hat oder ein Billigkeitsverfahren zu betreiben ist, vgl FG He vom 03.09.2001, 9 K 4424/98, EFG 2002, 109; BFH vom 01.07.2003, VIII R 94/01, BFH/NV 2004, 25, ist strittig und in der Rspr des BFH noch nicht abschließend geklärt, vgl BFH vom 30.04.2001, VI B 217/99, BFH/NV 2001, 1364; BFH vom 12.04.2000, VI B 113/99, BFH/NV 2000, 1192, vgl dazu FG Münster vom 10.05.2023,13 K 615/21 Kg (Rev BFH III R 21/23): ermessensleitende Verwaltungsvorschrift, durch die die Voraussetzungen für einen Erlass aus Billigkeitsgründen näher bestimmt werden und die der Überprüfung auf eventuelle Ermessensfehler unterliegt.
Rn. 190
Stand: EL 172 – ET: 04/2024
Zahlt die Kindergeldkasse das Kindergeld zunächst weiter, obwohl ihr Umstände bekannt sind, die zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führen, steht das der Rückforderung zu viel gezahlten Kindergelds noch nicht entgegen, BFH vom 14....