Rn. 37
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
§ 71 Abs 2 S 1 EStG verpflichtet die Familienkasse dazu, dem Berechtigten unverzüglich die vorläufige Einstellung der Zahlung des Kindergeldes sowie die dafür maßgebenden Gründe mitzuteilen, soweit die Kenntnis der Familienkasse von den nach § 71 Abs 1 EStG erheblichen Tatsachen nicht auf den Angaben des Berechtigten, der das Kindergeld erhält, beruht. Dies ist dann der Fall, wenn die Familienkasse ihre Informationen durch einen Dritten (zB das Kind, den anderen Elternteil, einen Abzweigungsempfänger oder durch eine andere Behörde) erhalten hat.
Nach dem Wortlaut des § 71 Abs 2 S 1 EStG besteht die Verpflichtung der Familienkasse nur dann, wenn die Kenntnisse der Familienkasse nicht auf Angaben des Berechtigten beruht, der das Kindergeld erhält. Damit wäre der Kindergeldberechtigte, der nicht das Kindergeld erhält, weil dieses an einen abweichenden Zahlungsempfänger ausgezahlt wird (zB an das Kind oder den anderen Elternteil) nicht zu unterrichten. Der Formulierung "der das Kindergeld erhält" kommt jedoch keine einschränkende Bedeutung zu, Wendl in H/H/R, § 71 EStG Rz 12 (April 2020).
Beruht die Kenntnis der Familienkasse nicht auf den Angaben des Kindergeldberechtigten, ist dieser auch dann zu informieren, wenn er das Kindergeld nicht erhält, dh wenn es nicht an ihn ausgezahlt wird. Auch der Kindergeldberechtigte, der das Kindergeld nicht ausgezahlt erhält, kann nur dann seiner Mitwirkungspflicht nachkommen, wenn ihm die Zahlungseinstellung und die dafür maßgeblichen Gründe bekannt sind. Sein Informationsinteresse ist nicht geringer als das desjenigen Berechtigten, an den Kindergeld ausgezahlt wird. Dass der Berechtigte, an den das Kindergeld nicht ausgezahlt wird, entsprechende Informationen vom Zahlungsempfänger des Kindergeldes erhält, kann nicht unterstellt werden.
Beruht die Kenntnis der Familienkasse teilweise auf Angaben des Berechtigten, teilweise auf Angaben Dritter, ist der Berechtigte über den vollständigen Sachverhalt zu informieren. Der Formulierung "soweit die Kenntnis nicht auf Angaben des Berechtigten beruht", kommt keine einschränkende Bedeutung in dem Sinne zu, dass der Berechtigte ausschließlich über die Angaben Dritter zu unterrichten wäre, Wendl in H/H/R, § 71 EStG Rz 12 (April 2020).
Die Mitteilung an den Berechtigten hat unverzüglich zu erfolgen, es besteht eine entsprechende Verpflichtung der Familienkasse.
Erfolgt die Auszahlung des Kindergeldes an einen Dritten (zB das Kind oder an den anderen Elternteil) oder erfolgt eine Abzweigung des Kindergeldes, sollte auch der Dritte über die vorläufige Einstellung der Zahlung informiert werden, allerdings ohne Angabe von Gründen, Wendl in H/H/R, § 71 EStG Rz 12 (April 2020)
Nach V 23.3 Abs 1 S 2 DA-KG 2021 sind dem Berechtigten die vorläufige Zahlungseinstellung und die dafür maßgeblichen Gründe unverzüglich mitzuteilen. Dies gilt auch dann, wenn die Kenntnis der Familienkasse auf Angaben des Berechtigten beruht. Dies erscheint sachgerecht, da dem Berechtigten die Relevanz seiner Mitteilung an die Familienkasse nicht immer bewusst sein wird. Ferner wird er darüber, dass die Familienkasse die Zahlung des Kindergeldes gemäß § 71 Abs 1 EStG vorläufig einstellen kann, nicht immer informiert sein.
Rn. 38
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Die Information hat unverzüglich, dh ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs 1 BGB) zu erfolgen. Fraglich erscheint, auf welchen Zeitpunkt für den Beginn der Frist abzustellen ist. Insoweit dürfte nicht auf den Zeitpunkt abzustellen sein, in dem die vorläufige Einstellung der Zahlung durch interne Verfügung angeordnet worden ist (Wendl in H/H/R, § 71 EStG Rz 12 (April 2020)), sondern auf den Zeitpunkt abzustellen sein, an dem die Auszahlungssperre wirksam wird, dh den nächsten regulären Auszahlungstermin für das Kindergeld (ausführlich dazu s Rn 48, 49). Solange die Zahlungssperre nur intern wirkt, bedarf es noch keiner Mitteilung, zudem ist ein zeitlicher Gleichlauf mit dem Fristbeginn für die Zweimonatsfrist aus § 71 Abs 3 EStG angezeigt.
Rn. 39
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
§ 71 Abs 2 EStG regelt nicht, welche Rechtsfolge sich daraus ergibt, dass die Familienkasse ihre Pflicht zur Unterrichtung verletzt, (Avvento in Kirchhof/Seer, § 71 EStG Rz 6 (21. Aufl). Nach allgemeinen Grundsätzen liegt ein Verfahrensfehler vor, die vorläufige Zahlungseinstellung ist rechtswidrig. Die Familienkasse ist dazu verpflichtet, die Zahlung des Kindergeldes wieder aufzunehmen und bereits einbehaltene Beträge nachzuzahlen, Wendl in H/H/R, § 71 EStG Rz 12 (April 2020). Eine Heilung des Verfahrensmangels durch eine nachgeholte Unterrichtung ist nicht möglich, da diese dann nicht mehr unverzüglich erfolgt
Rn. 40–41
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
vorläufig frei