Rn. 87
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Für Erstattungsansprüche der Sozialleistungsträger gegen die Familienkasse erklärt § 74 Abs 2 EStG die §§ 102–109 und 111–113 SGB X für entsprechend anwendbar.
Rn. 88
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Für die Erstattungsansprüche nach § 74 Abs 2 EStG iVm §§ 102ff SGB X ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten gegeben, BFH vom 14.05.2002, VIII R 88/01, BFH/NV 2002, 1156; Weber-Grellet in Schmidt, § 74 EStG Rz 13 (43. Aufl). § 74 Abs 2 EStG verweist für die Erstattungsansprüche auf die §§ 102–109 und 111–113 SGB X, nicht aber auf die Rechtswegzuweisung an die Sozialgerichte in § 114 SGB X.
Richtige Klageart für den Erstattungsanspruch ist die allg Leistungsklage, BFH vom 14.05.2002, VIII R 88/01, BFH/NV 2002, 1156; BFH vom 07.04.2011, III R 88/09, BStBl II 2014, 32; BFH vom 19.01.2023, III R 36/21, BFH/NV 2023, 888. Zum Verfahren bei Rückgängigmachung einer Erstattung nach § 74 Abs 2 EStG s Rn 98. Hat die Familienkasse die Festsetzung von Kindergeld bestandskräftig abgelehnt, kann sie diesen Umstand gegenüber dem Träger der Sozialhilfe, der die Erstattung erbrachter Sozialleistungen begehrt, einwenden. Eine Bindung an die bestandskräftige ablehnende Entscheidung besteht im Erstattungsverfahren jedenfalls dann, wenn die Entscheidung nicht offensichtlich fehlerhaft ist, BFH vom 14.05.2002, VIII R 88/01, BFH/NV 2002, 1156.
Rn. 89
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Hinsichtlich der Erstattung ist zwischen der nach § 74 Abs 2 EStG iVm § 104 Abs 1 S 1 SGB X (V 34.2 DA-KG 2023) und der nach § 74 Abs 2 EStG iVm § 104 Abs 1 S 4 SGB X (V 34.3 DA-KG 2023) zu unterscheiden. Eine Erstattung nach § 74 Abs 2 EStG iVm § 104 Abs 1 S 1 SGB X setzt voraus, dass ein Kindergeldanspruch für einen Zeitraum in der Vergangenheit besteht, für den ein Sozialleistungsträger – trotz nachrangiger Leistungsverpflichtung – Leistungen an den Berechtigten für seine Kinder oder an die Kinder erbracht hat.
Ein Leistungsträger ist dann nachrangig verpflichtet, soweit er bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistung durch einen anderen Leistungsträger selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre, BFH vom 02.06.2022, III R 9/21, BStBl II 2022, 840; BFH vom 14.07.2022, III R 40/20, BFH/NV 2022, 1310; BFH vom 22.09.2022, III R 38/20, BFH/NV 2023, 35. Eine rechtzeitige Erfüllung iSd § 74 Abs 2 EStG iVm § 104 Abs 1 S 2 SGB X durch die Familienkasse ist gegeben, wenn diese das Kindergeld im jeweiligen Monat für den jeweiligen Monat zahlt. § 66 Abs 2 EStG regelt keinen Auszahlungstermin im einzelnen Anspruchszeitraum; es ist für die rechtzeitige Erfüllung deshalb nicht erforderlich, dass die Familienkasse die nur durch eine Verwaltungsanweisung geregelten, nach Kindergeldendziffern gestaffelten kassenmäßigen Auszahlungstermine einhält, BFH vom 02.06.2022, III R 9/21, BStBl II 2002, 840.
Hat die Familienkasse das Kindergeld bereits an den Berechtigten oder einen Dritten ausgezahlt, besteht kein Erstattungsanspruch mehr (§ 104 Abs 1 S 1 und § 104 Abs 1 S 4 iVm Abs 1 S 1 SGB X; V 34.1 Abs 3 DA-KG 2023).
Rn. 90
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Der Erstattungsanspruch nach § 74 Abs 2 EStG iVm § 104 Abs 1 S 1 SGB X setzt neben weiteren Voraussetzungen (ausführlich dazu s Rn 93) die Gleichartigkeit der Leistungen und die Nachrangigkeit der gewährten Sozialleistungen gegenüber dem von der Familienkasse gewährten Kindergeld voraus, BFH vom 19.04.2012, III R 85/09, BStBl II 2013, 19; BFH vom 22.11.2012, III R 24/11, BStBl II 2014, 32. Die Gleichartigkeit ist grundsätzlich nur dann gegeben, wenn der Kindergeldanspruch und der Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt für die gleichen Zeiträume bestimmt sind und in einer Person zusammenfallen, vgl BFH vom 17.04.2008, III R 33/05, BStBl II 2009, 919.
Ferner muss die Sozialleistung demselben Zweck dienen wie das Kindergeld (BFH vom 07.12.2004, VIII R 59/04, BFH/NV 2005, 864; BFH vom 22.11, 2012, III R 24/11, BStBl II 2014, 32; V 34.2 Abs 1 S 7ff DA-KG 2023. Das ist dann der Fall, wenn die Sozialleistung dazu bestimmt ist, den allg Lebensbedarf des Kindergeldberechtigten oder des Kindes zu decken, Wendl in/H/R, § 74 EStG Rz 17 (06/2020).
Dem Kindergeld gleichartige und nachrangige Leistungen sind
- neben der Sozialhilfe als Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 8 Nr 1, §§ 27ff SGB XII (BFH vom 14.05.2002, VIII R 88/01, BFH/NV 2002, 1156),
- dem ALG II nach §§ 19 SGB II (BFH vom 26.07.2012, III R 28/10, BStBl II 2013, 26; BFH vom 05.06.2014, VI R 15/12, BStBl II 2015, 145),
- dem Sozialgeld nach § 28 SGB II auch die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (§ 2 AsylbLG iVm § 28 SGB XII), bei denen es sich um bedarfsabhängige Leistungen für den notwendigen Lebensunterhalt von Asylbewerbern sowie ihnen gleichgestellten ausländischen Staatsangehörigen handelt, BFH vom 05.06.2014, VI R 15/12, BStBl II 2015, 145,
- sowie der Kinderzuschlag nach § 33b BundesversorgungsG, V 34.2 Abs 2 DA-KG 2023.
Die Gleichartigkeit der Leistungen ist zB nicht gegeben bei der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach § 8 Nr 4, §§ 53 SG...