a) Ortsfeste betriebliche Einrichtung (§ 9 Abs 4 S 1 EStG)
Rn. 592
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Ortsfeste betriebliche Einrichtungen sind räumlich zusammengefasste Sachmittel, die der Tätigkeit des ArbG, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom ArbG bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden (BFH v 04.04.2019, VI R 27/17, BStBl II 2019, 536; BFH v 11.04.2019, VI R 40/16, BStBl II 2019, 546; BFH v 11.04.2019, VI R 12/17, BStBl II 2019, 551). Dies kann zB auch ein dauerhaft und fest installierter Baucontainer sein (BMF v 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228 Tz 3).
Keine Tätigkeitsstätten iSd § 9 Abs 4 S 1 EStG sind Tätigkeitsgebiete ohne ortsfeste betriebliche Einrichtungen sowie – mangels Ortsfestigkeit – Fahrzeuge (BFH v 06.02.2014, VI R 34,13, BFH/NV 2014, 691), Flugzeuge (BFH v 26.02.2014, VI R 68/12, BFH/NV 2014, 1029; BFH v 11.04.2019, VI R 40/16, BStBl II 2019, 546; BFH v 10.04.2019, VI R 17/17, BFH/NV 2019, 904) oder Schiffe (BFH v 16.11.2005, VI R 12/04, BStBl II 2006, 267; BFH v 19.12.2005, VI R 30/05, BStBl II 2006, 378).
Rn. 593
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Anders als nach bisherigem Recht sind nicht mehr nur betriebliche Einrichtungen des ArbG erfasst, sondern es kann sich auch um eine solche eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) oder eines vom ArbG bestimmten Dritten handeln. Bislang war nach der Rspr regelmäßig ein örtlicher Bezug zum ArbG erforderlich (zB BFH v 15.05.2013, VI R 18/12, BStBl II 2013, 838). Ein ArbN war daher grundsätzlich dann nicht an einer regelmäßigen Arbeitsstätte, sondern auswärts tätig, wenn er außerhalb einer dem ArbG zuzuordnenden Arbeitsstätte (Betrieb, Zweigbetrieb oder Betriebsstätte) tätig wurde, wie dies insbesondere bei Leih-ArbN, aber auch bei allen anderen ArbN der Fall ist, die vorübergehend ausschließlich am Betriebssitz eines Kunden des ArbG tätig werden.
Das häusliche Arbeitszimmer des ArbN ist – wie bisher – keine betriebliche Einrichtung des ArbG oder eines Dritten und kann daher auch nach neuem Recht keine erste Tätigkeitsstätte sein (BMF v 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228 Tz 4; Krüger in Schmidt, § 9 EStG Rz 302; Niermann, DB 2013, 2357; aA Kreft/Bergkemper in H/H/R, § 9 EStG Rz 545; Thomas, DStR 2014, 497).
Rn. 594
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Die erste Tätigkeitsstätte kann auch (wie bisher die regelmäßige Arbeitsstätte) großräumig sein, ohne dass gleich ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet iSd § 9 Abs 1 S 3 Nr 4a S 3 EStG vorliegt. Eine (großräumige) erste Tätigkeitsstätte idS liegt nach dem BFH vor, wenn eine Vielzahl solcher räumlich zusammengefassten Mittel, die für sich betrachtet selbstständige betriebliche Einrichtungen darstellen können (zB Werkstätten und Werkshallen, Bürogebäude und -etagen sowie Verkaufs- und andere Wirtschaftsbauten), räumlich abgrenzbar in einem organisatorischen, technischen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des ArbG, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom ArbG bestimmten Dritten stehen. Als eine solche erste Tätigkeitsstätte kommt deshalb auch ein großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet (zB Werksanlage, Betriebsgelände, Bahnhof oder Flughafen) in Betracht (BFH v 11.04.2014, VI R 40/16, BStBl II 2019, 546; BFH v 11.04.2019, VI R 12/17, BStBl II 2019, 551).
b) Dauerhafte Zuordnung (§ 9 Abs 4 S 2–3 EStG)
Rn. 595
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Der ArbN muss der Tätigkeitsstätte zum einen zugeordnet sein, zum anderen muss diese Zuordnung "dauerhaft" sein.
ba) Zuordnung
Rn. 596
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Die Zuordnung zu einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung nach § 9 Abs 4 S 1 EStG wird gemäß § 9 Abs 4 S 2 EStG durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Nach der gesetzlichen Konzeption – und der die Neuordnung des steuerlichen Reisekostenrechts prägenden Grundentscheidung – wird die erste Tätigkeitsstätte vorrangig anhand der arbeits-(vertrag-) oder dienstrechtlichen Zuordnung des ArbN durch den ArbG bestimmt, hilfsweise mittels quantitativer Kriterien (BT-Drucks 17/10774, 15).
Zu den arbeits- oder dienstrechtlichen Weisungen und Verfügungen (kurz: arbeitsrechtliche) zählen alle schriftlichen, aber auch mündlichen Absprachen oder Weisungen (BT-Drucks 17/10774, 15). Die Zuordnung kann also insbesondere im Arbeitsvertrag oder durch Ausübung des Direktionsrechts (beispielsweise im Beamtenverhältnis durch dienstliche Anordnung) kraft der Organisationsgewalt des ArbG oder Dienstherrn (kurz: ArbG) vorgenommen werden.
Der BFH hat sich mittlerweile in ersten Entscheidungen ausführlich mit den Anforderungen an eine solche Zuordnung auseinandergesetzt (BFH v 04.04.2019, VI R 27/17, BStBl II 2019, 536; BFH v 10.04.2019, VI R 6/17, BStBl II 2019, 539; BFH v 11.04.2019, VI R 36/16, BStBl II 543; BFH v 11.04.2019, VI R 40/16, BStBl II 2019, 546; BFH v 11.04.2019, VI R 12/17, BStBl II 2019, 551). Insoweit lässt sich festhalten:
- die Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte muss nicht ausdrücklich erfolgen;
- sie setzt auch nicht voraus, dass sich de...