Rn. 114
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Aufwendungen, die als Folge eines fahrlässigen oder vorsätzlich fehlerhaften Verhaltens entstehen, können, müssen aber nicht notwendig der steuerlich unbeachtlichen Sphäre der Lebensführung angehören. Es kommt jeweils im Einzelfall darauf an, ob sich das Fehlverhalten noch iRd beruflichen Zielvorstellungen bewegt oder ob eine darüber hinausgehende private Motivation ausschlaggebend ist (BFH v 20.07.1994, I B 11/94, BFH/NV 1995, 198 mwN; BFH v 20.10.2016, VI R 27/15, BStBl II 2018, 441; Offerhaus, BB 1979, 667). Für die Besteuerung ist es unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt. Die Annahme von Erwerbsaufwendungen setzt in diesen Fällen allerdings voraus, dass die – die Aufwendungen auslösenden – schuldhaften Handlungen noch im Rahmen der betrieblichen oder beruflichen Aufgabenerfüllung liegen und nicht auf privaten, den betrieblichen oder beruflichen Zusammenhang aufhebenden Umständen beruhen (BFH v 09.12.2003, VI R 35/96, BStBl II 2004, 641). So können Zahlungen eines GmbH-Geschäftsführers aufgrund einer Haftung wegen Steuerhinterziehung zugunsten "seiner" GmbH abziehbare WK sein (BFH v 09.12.2003, VI R 35/96, BStBl II 2004, 641; FG SAnh v 02.07.2013, 4 K 1508/09, EFG 2013, 1651), weil die Straftat den wirtschaftlichen Erfolg der GmbH fördern sollte (vgl auch BFH v 17.08.2011, VI R 75/10, BFH/NV 2011, 2040 für Strafverteidigungskosten in einem Verfahren wegen Untreue).
Anders zu behandeln sind hingegen Fälle, in denen die Straftat nur insoweit mit der Berufstätigkeit im Zusammenhang steht, als diese eine Gelegenheit zur Straftat bietet (zB BFH v 19.03.1987, IV R 140/84, BFH/NV 1987, 577: Veruntreuung anvertrauten Vermögens; FG Mchn v 30.09.1998, 1 K 774/96, EFG 1999, 108: Verwendung eines Dienstwagens zum Versicherungsbetrug; FG Münster v 19.08.2011, 14 K 2610/10 E, EFG 2011, 2059 mit Anmerkung Wagner: Strafverteidigungskosten eines pensionierten Schulleiters wegen uneidlicher Falschaussage). Ein erwerbsbezogener Veranlassungszusammenhang wird auch aufgehoben, wenn der ArbN seinen ArbG bewusst schädigen wollte oder sich oder einen Dritten durch die schädigende Handlung bereichert hat (BFH v 20.10.2016, VI R 27/15, BFH/NV 2017, 223; BFH v 13.12.2016, VIII R 43/14, BFH/NV 2017, 569).
Nach Auffassung des FG Köln sind Aufwendungen für die Vertretung in einem Disziplinarverfahren auch dann als WK – und damit unabhängig von der Frage der Überlagerung der erwerbsbezogenen Veranlassung – zu berücksichtigen, wenn das Verfahren wegen eines strafbaren Kommentars in sozialen Medien eingeleitet wurde (FG Köln v 17.06.2021, 14 K 997/20, EFG 2021, 1983 – Revision anhängig unter VI R 16/21).
Rn. 115
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Kosten eines Verkehrsunfalls sind als WK anzusehen, wenn der Anlass für die Fahrt, während der sich der Verkehrsunfall ereignet hat, beruflicher Natur ist. Das gilt entsprechend den Ausführungen in s Rn 114 selbst dann, wenn der StPfl bewusst oder fahrlässig gegen Verkehrsvorschriften verstoßen hat (BFH v 28.11.1977, GrS 2–3/77, BStBl II 1978, 105). Evident ist dies beispielsweise, wenn der ArbN, um einen beruflichen Termin einhalten zu können, aufgrund von überhöhter Geschwindigkeit einen Verkehrsunfall verursacht. Wenn der Unfall aber durch Alkoholeinfluss des StPfl herbeigeführt wurde, liegt die Veranlassung in der Lebensführung, und eine steuerliche Geltendmachung ist ausgeschlossen (BFH v 06.04.1984, VI R 103/79, BStBl II 1984, 434; BFH v 24.05.2007, VI R 73/05, BStBl II 2007,766; Entsprechendes muss für alle alkoholbedingten Schäden gelten, vgl Thürmer in Brandis/Heuermann, § 9 EStG Rz 149 mwN).
Rn. 116
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Schadensersatzzahlungen an den ArbG wegen vorsätzlich begangener Straftaten und damit in Zusammenhang stehenden RA-Kosten sind ebenfalls nicht als WK abzugsfähig, weil die jeweilige Tat nicht der Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen dient, sondern ganz im Gegenteil die berufliche Stellung des StPfl gefährdet; der Zusammenhang mit der Berufsausübung wird überlagert durch außerberufliche Gründe (BFH v 18.09.1987, VI R 121/84, BFH/NV 1988, 353; BFH v 17.08.2011, VI R 75/10, BFH/NV 2011, 2040).
Rn. 117
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Geldstrafen und sonstige Strafen vermögensrechtlicher Art, bei denen der Strafcharakter überwiegt, sind nach § 12 Nr 4 EStG ausdrücklich von einem steuermindernden Abzug ausgeschlossen. Zu diesen gehören aber nicht die Kosten für die Strafverteidigung. Sie stellen dann WK dar, wenn die zur Last gelegte Tat in Ausübung der Einnahmeerzielungstätigkeit begangen wurde (BFH v 13.12.1994, VIII R 34/93, BStBl II 1995, 457; BFH v 12.06.2002, XI R 35/01, BFH/NV 2002, 1441; BFH v 17.08.2011, VI R 75/10, BFH/NV 2011, 2040; BFH v 10.06.2015, VI B 133/14, BFH/NV 2015, 1247; BFH v 13.12.2016, VIII R 43/14, BFH/NV 2017, 569). Da es für die berufliche Veranlassung der Strafverteidigungskost...