a) Familienheimfahrten
Rn. 770
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Aufwendungen für die Wege vom Ort der ersten Tätigkeitsstäte zum Ort des eigenen Hausstands und zurück können jeweils nur für eine Familienheimfahrt wöchentlich als WK (§ 9 Abs 1 S 3 Nr 5 S 5 EStG) abgezogen werden. Die Abzugsbeschränkung bezieht sich auf die Kalenderwoche. Nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut ist es nicht möglich, 52 Familienheimfahrten pro Kj abzuziehen, wenn diese ungleichmäßig über den Zeitablauf verteilt erfolgt sind (so auch FG Sa v 28.02.1992, 1 K 397/91, EFG 1992, 595). Ebenfalls ausgeschlossen ist es, weitere, unter der Woche erfolgte Fahrten an den Ersthaushalt neben den iRd doppelten Haushaltsführung anzuerkennenden Familienheimfahrten nach § 9 Abs 1 S 3 Nr 4 EStG abzuziehen. Die Abzugsbeschränkung des § 9 Abs 1 S 3 Nr 5 S 5 EStG ist insoweit lex specialis.
Bei einer betrieblich veranlassten doppelten Haushaltsführung kann der StPfl die Fahrtkosten nicht allein schon deshalb in voller Höhe abziehen, weil er auch am Ort des Lebensmittelpunkts eine weitere Betriebsstätte unterhält, wenn der StPfl nicht glaubhaft darlegt, dass die Fahrten wegen der Betriebsstätte und nicht zum Besuch seiner Familie unternommen wurden (FG Mchn v 14.05.2009, 15 K 2945/07, EFG 2009, 1449).
Rn. 771
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Ob an Stelle einer Familienheimfahrt die Fahrtkosten des anderen Ehegatten und ggf der minderjährigen Kinder anlässlich eines Besuchs am Beschäftigungsort abziehbar sind, wenn der ArbN an der Fahrt beruflich verhindert ist (sog "umgekehrte Familienheimfahrt" – BFH v 28.01.1983, VI R 136/79, BStBl II 1983, 313; ebenso FG Köln v 27.01.2010, 4 K 2882/07, EFG 2010, 1683; H 9.11 Abs 5–10 LStH 2022 "Familienheimfahrten"), ist zu bezweifeln. Denn es kommt nicht darauf an, ob eine hypothetische Fahrt des ArbN absetzbar wäre, sondern allein darauf, ob die konkrete Fahrt beruflich veranlasst ist. Das ist für den nicht in dem konkreten Beschäftigungsverhältnis stehenden Ehegatten zu verneinen (ebenso FG Sa v 28.02.1992, 1 K 397/91, EFG 1992, 595). Die Anerkennung von "umgekehrten Familienheimfahrten" setzt zudem voraus, dass die Reisekosten des einen Ehegatten als steuerlicher Aufwand des den doppelten Haushalt führenden anderen Ehegatten behandelt werden können (hierzu Kammeter, HFR 2011, 541, und Krüger, HFR 2016, 120).
Mittlerweile hat der BFH die Rspr, ob dann, wenn der den zweiten Haushalt führende Ehegatte aus beruflichen Gründen die wöchentliche Familienheimfahrt nicht antreten kann, die Fahrtkosten des Besuchenden beruflich veranlasste Aufwendungen des Besuchten sind, entsprechend in Frage gestellt (BFH v 02.02.2011, VI R 15/10, BStBl II 2011, 456; BFH v 22.10.2015, VI R 22/14, BStBl II 2016, 179 für Besuchsfahrten eines Ehepartners zur auswärtigen Tätigkeitsstätte des anderen Ehepartners; BFH v 12.07.2017, VI R 42/15, BStBl II 2018, 13). Der Begriff der "Familienheimfahrt" iSd § 9 Abs 1 S 3 Nr 5 S 5 EStG erfasst im Übrigen schon nicht eine Besuchsreise des Ehepartners vom Familienwohnsitz an den Ort der ersten Tätigkeitsstätte des ArbN, sondern (nur) den umgekehrten Fall, dass der StPfl die Fahrt vom Familienwohnsitz an den Ort der ersten Tätigkeitsstätte selbst vornimmt (BFH v 02.02.2011, VI R 15/10, BStBl II 2011, 456). Zur Problematik der umgekehrten Familienheimfahrten auch s Loschelder, StuW 2018, 136.
Tritt der den doppelten Haushalt führende Ehegatte die wöchentliche Familienheimfahrt aus privaten Gründen nicht an, so ist ein Abzug der Fahrtkosten in jedem Falle ausgeschlossen, weil es an einer beruflichen Veranlassung der Reise des Familienangehörigen an den Zweitwohnsitz am Beschäftigungsort fehlt (BFH v 02.02.2011, VI R 15/10, BStBl II 2011, 456).
Anstelle der Aufwendungen für eine Heimfahrt an den Ort des eigenen Hausstands können Gebühren für ein Ferngespräch bis zu einer Dauer von 15 Minuten mit Angehörigen, die zum eigenen Hausstand der/des StPfl gehören, abgezogen werden (BFH v 18.03.1988, VI R 90/84, BStBl II 988; H 9.11 Abs 5–10 LStH 2022 "Telefonkosten"). S Rn 795.
Rn. 772
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Der ArbN hat nach R 9.11 Abs 5 S 2 LStR 2015 ein Wahlrecht, an Stelle der Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung (Unterkunftskosten, aber nur Fahrtkosten für eine Heimfahrt wöchentlich) sämtliche Fahrtkosten an den Heimatort nach § 9 Abs 1 S 3 Nr 4 EStG geltend zu machen (ebenso BFH v 09.06.1988, VI R 85/85, BStBl II 1988, 990). In diesem Falle scheiden der Abzug der Kosten für die Unterkunft am Ort der ersten Tätigkeitsstätte sowie für den Verpflegungsmehraufwand aus. Dies kann für den StPfl dann vorteilhaft sein, wenn die Unterkunftskosten relativ gering sind, er aber öfters an den Heimatort zurückkehrt. R 9.11 Abs 5 S 3 LStR 2015 bestimmt, dass das Wahlrecht innerhalb eines Kj bei derselben doppelten Haushaltsführung nur einmal ausgeübt werden kann. Die Annahme eines Wahlrechts ist an sich nicht unproblematisch, da § 9 Abs 1 S 3 Nr 5 EStG in seinem gegenständlichen Anwendungsbereich gegenüber § 9 Abs 1 S 3 Nr 4 EStG vorrangig i...