Rn. 44
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Muss der StPfl in einem früheren VZ erzielte bereits versteuerte Einnahmen aufgrund einer rechtlichen oder tatsächlichen Verpflichtung (nicht: bei Rückzahlung aus rein privaten Motiven) zurückzahlen, so ist der Rückzahlungsbetrag steuermindernd zu berücksichtigen. Über die rechtsdogmatische Einordnung der Rückzahlung bestehen unterschiedliche Auffassungen (zur Bedeutung der unterschiedlichen Ansichten zB Kister in H/H/R, § 8 EStG Rz 33). Nach der älteren Rspr des BFH stellt der Rückzahlungsbetrag eine sog negative Einnahme und keine WK dar (BFH v 13.12.1963, VI 22/61 S, BStBl III 1964, 184; BFH v 19.01.1977, I R 188/74, BStBl II 1977, 847; ebenso Krüger in Schmidt, § 8 EStG Rz 9; Krüger in Schmidt, § 9 EStG Rz 108; Glenk in Brandis/Heuermann, § 8 EStG Rz 56; Gröpl in K/S/M, § 8 EStG Rz B 66). Dies hat zur Konsequenz, dass der Rückzahlungsbetrag nicht auf die WK-Pauschalen des entsprechenden VZ anzurechnen ist.
Ob der BFH auch heute noch an dieser Ansicht festhält, hat er in diversen Entscheidungen ausdrücklich offengelassen (BFH v 26.01.2000, IX R 87/95, BStBl II 2000, 396; BFH v 04.05.2006, VI R 33/03, BStBl II 2006, 911; BFH v 17.09.2009, VI R 17/08, BStBl II 2010, 299). Die Literatur geht demgegenüber überwiegend davon aus, dass die Rückzahlung alle Merkmale des WK-Begriffs erfüllt (Kreft/Bergkemper in H/H/R, § 9 EStG Rz 80; Thürmer in Brandis/Heuermann, § 9 EStG Rz 180; v Bornhaupt in K/S/M, § 9 EStG Rz B 229; § 8 Rn 146 (Pust)). In einem neueren Urteil hat der BFH sich dahingehend positioniert, dass die Herausgabe von Bestechungsgeldern an den geschädigten ArbG, die der ArbN zuvor von einem Dritten erhalten hatte, zu WK bei den Einkünften aus § 22 Nr 3 EStG und – mangels Rückzahlung an den zuvor Zahlenden – nicht zu negativen Einnahmen führt (BFH v 16.06.2015, IX R 26/14, BStBl II 2015, 1019).
Rn. 45
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Die Rückzahlung ist erst im VZ ihrer Verausgabung gemäß § 11 Abs 2 EStG zu berücksichtigen, sie stellt kein rückwirkendes Ereignis iSd § 175 Abs 1 Nr 2 AO dar, das eine Korrektur des Steuerbescheids des Zuflussjahres ermöglichen würde, und zwar auch dann, wenn die seinerzeitige Einnahme einem besonderen Steuersatz unterlegen ist (BFH v 04.05.2006, VI R 17/03, BStBl II 2006, 830; BFH v 04.05.2006, VI R 33/03, BStBl II 2006, 911 für zurückgezahlte Abfindungen). Das gilt ebenfalls, wenn die spätere Rückzahlung im Zeitpunkt der ursprünglichen Vereinnahmung feststand oder zumindest absehbar war, da die Entstehung derartiger Rückgewähransprüche den ursprünglichen Zufluss nicht ungeschehen machen kann (BFH v 13.11.1985, I R 275/82, BStBl II 1986, 193; BFH v 17.02.1993, I R 21/92, BFH/NV 1994, 83; BFH v 30.07.1997, I R 11/96, BFH/NV 1998, 308). Das "Behalten-Dürfen" ist nicht Merkmal des Zuflusses iSd § 11 Abs 1 EStG (BFH v 13.10.1989, III R 30–31/85, BStBl II 1990, 287).
Rn. 46
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Zu prüfen bleibt aber, ob tatsächlich eine Rückzahlung von versteuerten Einnahmen stattfindet oder ob der Vorgang nicht vielmehr die Vermögensebene berührt. So hat BFH v 17.09.2009, VI R 24/08, BStBl II 2010, 198 den Verlust aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen am ArbG anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht als WK/negative Einnahmen anerkannt, weil der maßgebende wirtschaftliche Zusammenhang mit der Kapitalanlage bestehe. Keinen actus contrarius zum zuvor bezogenen Arbeitslohn stellt es dar, wenn der ArbG aus der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) austritt und der ArbN keine Zusatzversorgung mehr erdienen kann (BFH v 07.05.2009, VI R 5/08, BStBl II 2010, 133), oder wenn es zur Zwangsversteigerung einer vom ArbG unter Verrechnung mit dem ausstehenden Arbeitslohn erworbenen, aber im Grundbuch nicht umgeschriebenen und vom ArbN nur faktisch genutzten Immobilie kommt (BFH v 10.08.2010, VI R 1/08, BStBl II 2010, 1074). Die Rückgewähr einer vGA aufgrund einer Satzungsklausel stellt eine Einlage, nicht dagegen eine negative Einnahme/WK dar, weil sie auf dem Gesellschaftsverhältnis beruht (BFH v 25.05.1999, VIII R 59/97, BStBl II 2001, 226). Gleiches gilt für die erzwungene Rückforderung einer offenen Gewinnausschüttung (BFH v 29.08.2000, VIII R 7/99, BStBl II 2001, 173).
Die Abzugsmöglichkeit besteht auch für einen Erben, wenn dieser Einnahmen des Erblassers zurückzahlen muss (BFH v 19.12.1975, VI R 157/72, BStBl II 1976, 322). Keine WK (oder negative Einnahmen) liegen indes vor, wenn die Rückzahlung ohne rechtliche oder tatsächliche Verpflichtung erfolgt (BFH v 30.07.1997, I R 11/96, BFH/NV 1998, 308). Ist der StPfl verpflichtet, über den nominalen Rückzahlungsbetrag hinaus Verzugszinsen zu leisten, sollen diese nicht abziehbar sein (BFH v 14.04.1992, VIII R 6/87, BStBl II 1993, 275; BFH v 10.10.1995, VIII R 56/91, BFH/NV 1996, 304; einen Veranlassungszusammenhang dagegen bejahend BFH v 30.01.1996, IX R 83/90, BFH/NV 1996, 542).
Rn. 47
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Für den Abzug der Rückzahlung ist unbeachtlich, ob die Erfass...