1. Überblick
Rn. 880
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
WK sind nach dem Gesetzeswortlaut des § 9 Abs 1 S 3 Nr 7 EStG auch Absetzungen für Abnutzung und für Substanzverringerung und erhöhte Abnutzungen. Die Rechtsnorm stellt damit klar, dass auch im Bereich der Überschusseinkünfte die Aufwendungen für mehrjährig nutzbare WG nicht im Jahr der Verausgabung in voller Höhe abgezogen werden können, sondern über den Zeitraum der Nutzung des WG zu verteilen sind. Ergänzend zu § 9 Abs 1 S 3 Nr 7 EStG sind die überwiegend im Abschnitt über die Gewinnermittlung befindlichen Abschreibungsvorschriften heranzuziehen. Zu beachten ist, dass einige der Abschreibungsregeln
- die Existenz von BV bzw
- die steuerliche Erfassung von Wertsteigerungen oder -minderungen voraussetzen.
Es ist deshalb für jede Norm zu prüfen, inwieweit sie ihrer Rechtsnatur nach auf den Bereich der Überschusseinkünfte übertragen werden kann.
2. Anwendungsbereich
Rn. 881
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
§ 9 Abs 1 S 3 Nr 7 EStG gilt der Gesetzessystematik nach für alle Überschusseinkunftsarten. Praktische Relevanz hat die Norm aber allein für die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 2 Abs 1 Nr 4 EStG) und die Einkünfte aus VuV (§ 2 Abs 1 Nr 6 EStG), da Einkünfte aus KapVerm und sonstige Einkünfte im Regelfall nicht mit WG erzielt werden, die einem technischen oder wirtschaftlichen Wertverzehr unterliegen; bei den Einkünften aus KapVerm kommt das WK-Abzugsverbot nach § 20 Abs 9 EStG hinzu.
3. Rechtsentwicklung
Rn. 882
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Vorläufer der Regelung waren § 13 Abs 1 Nr 1b EStG 1920 (RGBl 1920, 359) und § 16 Abs 2 und 3 EStG 1925 (RGBl 1925, 189). Die heutige Regelung des § 9 Abs 1 S 3 Nr 7 EStG findet sich – mit Ausnahme des erst 1989 eingefügten Hinweises auf erhöhte Absetzungen – wortgleich erstmals im EStG 1934 (RGBl I 1934, 1005), ergänzt um einen Klammerzusatz, in dem § 7 EStG benannt wird. Diesen Klammerzusatz hat der Gesetzgeber in der Nachkriegszeit mehrfach ergänzt bzw redaktionell angepasst durch Hinweise auf weitere, neu in das EStG eingefügte Abschreibungsvorschriften, zuletzt durch das StBereinG 1985 v 14.12.1984 (BGBl I 1984, 1493) mit Hinweis auf §§ 7 Abs 1, 4–6, 7a Abs 1–3, 5 und 7, 7b EStG.
Mit dem WoBauFG v 22.12.1989 (BGBl I 1989, 2408) ist der die Verweisungen enthaltende Klammerzusatz entfallen, stattdessen wurde der Gesetzestext um den Zusatz "und erhöhte Absetzungen" erweitert. Außerdem wurde der frühere S 2 des § 9 Abs 1 S 3 Nr 6 EStG (entsprechende Anwendung des § 6 Abs 2 S 1–3 EStG) in die Nr 7 verschoben.
Durch das UntStRefG 2008 v 14.08.2007 (BGBl I 2007, 1912) wurde S 2 der Nr 7 des § 9 EStG neu gefasst. Danach konnte § 6 Abs 2 S 1–3 EStG mit der Maßgabe angewendet werden, dass AK/HK bis zu 410 EUR (ab 01.01.2018 800 EUR) sofort als WK abgesetzt werden konnten.
Mit dem WachstumsbeschleunigungsG v 22.12.2009 (BGBl I 2009, 3950) passte der Gesetzgeber Nr 7 S 2 an den geänderten § 6 Abs 2 EStG an; eine inhaltliche Änderung war damit nicht verbunden (BT-Drucks 17/15, 18).
4. Systematische Bedeutung des § 9 Abs 1 S 3 Nr 7 EStG
Rn. 883
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Die zentrale Vorschrift des EStG über Abschreibung von WG, § 7 EStG, steht im Abschnitt "Gewinn" und ist deshalb nach der Gesetzessystematik nur auf die Gewinneinkunftsarten, nicht aber auf die Überschusseinkünfte anzuwenden. Gäbe es die Vorschrift des § 9 Abs 1 S 3 Nr 7 EStG mit der Verweisung auf die Abschreibungsregelungen nicht, so wären die Aufwendungen auch für mehrjährig nutzbare WG nach dem Abflussprinzip des § 11 Abs 2 EStG im Jahr der Verausgabung in voller Höhe abziehbar.
Welche Aufwendungen für WG als WK abgezogen werden können, besagt § 9 Abs 1 S 3 Nr 7 EStG hingegen nicht. Dies ergibt sich aus anderen Vorschriften, insbesondere aus § 9 Abs 1 S 3 Nr 6 EStG (Arbeitsmittel).
- Es ist also auf einer ersten Stufe zu prüfen, ob das WG dem Grunde nach ein Arbeitsmittel bei einer Überschusseinkunftsart darstellt und die Aufwendungen dafür als WK abgezogen werden können;
- erst dann (zweite Stufe) ist nach § 9 Abs 1 S 3 Nr 7 EStG zu klären, in welcher Höhe die Aufwendungen im jeweiligen VZ geltend zu machen sind.
Daraus folgt, dass § 9 Abs 1 S 3 Nr 7 EStG für die Frage, ob Aufwendungen WK-Charakter haben, nur deklaratorische Bedeutung hat. Konstitutiv ist die Vorschrift dagegen hinsichtlich der Aufwandsverteilung (ebenso Kreft/Bergkemper in H/H/R, § 9 EStG Rz 522; Krüger in Schmidt, § 9 EStG Rz 275; aA BFH v 21.12.1982, VIII R 215/78, BStBl II 1983, 410; Costede, StuW 1986, 44; v Bornhaupt in K/S/M, § 9 EStG Rz I 1; Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl, Rz 8.365: rechtsbegründende Ausnahme von dem bei Überschusseinkünften geltenden Verbot des Abzugs von Aufwendungen auf das Vermögen).
5. Erwerbsvermögen
Rn. 884
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Diskutiert wird in der Literatur, ob es im Bereich der Überschusseinkünfte analog zum BV bei den Gewinneinkünften ein vom PV abzugrenzendes sog Erwerbs-, Arbeits- oder Einkünfteerzielungsvermögen gibt. Bedeutung hat dies für die Frage, ob Vermögensverluste durch neutrale Ereignisse (zB Diebstahl oder Beschädigung eines Arbeitsmittels) einen WK-Abzug ermöglichen. Die Be...