1. Überblick
Rn. 450
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Nach § 9 Abs 1 S 3 Nr 4 S 1 EStG sind WK auch Aufwendungen des ArbN für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte (Grundtatbestand). Die Grundnorm in Bezug auf die Rechtsfolgenanordnung findet sich in § 9 Abs 1 S 3 Nr 4 S 2 Hs 1 EStG sowie in § 9 Abs 2 S 1 EStG: Für jeden Arbeitstag, an dem der ArbN die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, wird eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale mit Abgeltungswirkung von 0,30 EUR je Entfernungskilometer, höchstens jedoch mit 4 500 EUR, gewährt. Diese Grundregelungen werden durch die übrigen Bestimmungen des § 9 Abs 1 S 3 Nr 4, Abs 2 und Abs 4 EStG teils genauer spezifiziert, teils wieder aufgehoben.
So wird festgelegt, wie sich die zugrunde zulegende Entfernung ermittelt (§ 9 Abs 1 S 3 Nr 4 S 4 und 6 EStG), nämlich grundsätzlich von der der ersten Tätigkeitsstätte am nächsten gelegenen Wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte auf der kürzesten Straßenverbindung.
Des Weiteren werden Fälle bestimmt,
§ 9 Abs 1 S 3 Nr 4 S 8 EStG legt für die VZ 2021 bis 2026 schließlich gestaffelt eine Erhöhung der Entfernungspauschale ab dem 21. Entfernungskilometer fest.
Schließlich definiert § 9 Abs 4 EStG die erste Tätigkeitsstätte und regelt weitere Einzelheiten.
2. Anwendungsbereich
Rn. 451
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
§ 9 Abs 1 S 3 Nr 4 EStG spricht von Aufwendungen des"ArbN". § 9 Abs 3 EStG stellt jedoch klar, dass die Vorschrift nicht nur bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, sondern auch bei den übrigen Überschusseinkünften (§ 2 Abs 1 S 1 Nr 5–7 EStG) entsprechend zur Anwendung kommt (zB wenn ein StPfl seinen umfangreichen Grundbesitz von einem Büro aus verwaltet, vgl FG D'dorf v 04.06.1991, 6 K 89/86 E, EFG 1992, 67). Aus der Verweisung des § 4 Abs 5 Nr 6 S 2 EStG auf § 9 Abs 1 S 3 Nr 4 S 2 bis 6 EStG ergibt sich, dass die Entfernungspauschale auch für Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte bei den Gewinneinkunftsarten gilt.
3. Rechtsentwicklung
Rn. 452
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wurden erstmals mit dem EStG 1920 zum Abzug zugelassen, allerdings beschränkt auf die notwendigen Ausgaben, dh jene, die bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel anfielen. Seit dem EStG 1934 findet sich die Regelung in § 9 Abs 1 S 3 Nr 4 EStG. Mit Wirkung ab 01.01.1955 wurde das Erfordernis der Notwendigkeit der Aufwendungen aufgegeben; die Kosten für die Benutzung eines Pkw sind seither im Grundsatz abziehbar. Beschränkt wurde die Höhe der abziehbaren Aufwendungen jedoch durch § 26 EStDV 1955 in zweierlei Hinsicht: Zum einen wurde eine Pauschale für den WK-Abzug der Kfz-Kosten eingeführt (0,50 DM/Entfernungskilometer), zum anderen waren Fahrtkosten nur bis zu einer Entfernung von 40 km zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abziehbar, es sei denn zwingende persönliche Gründe rechtfertigten die Entfernungsüberschreitung. Mit SteueränderungsG 1966 v 23.12.1966 (BGBl I 1966, 702) übernahm der Gesetzgeber die Regelung aus der EStDV in das EStG und minderte bei der Gelegenheit die Pauschbeträge. Außerdem galt die Beschränkung auf 40 km von nun an ausnahmslos. Zweck war die Verlagerung des Verkehrs auf öffentliche Verkehrsmittel. Im Zuge des SteueränderungsG 1971 v 23.12.1970 (BGBl I 1970, 1856) hob der Gesetzgeber die 40-km-Grenze auf; dadurch sollte die Mobilität der ArbN verbessert werden. Die Gesetzesfassung vor Einführung der Entfernungspauschale basierte im Wesentlichen auf dem SteuerreformG 1990 v 25.07.1988 (BGBl I 1988, 1093); damals wurden auf BFH-Rspr beruhende Klarstellungen bezüglich arbeitstäglicher Zwischenheimfahrten und Fahrtstrecken bei mehreren Wohnungen des ArbN in das G aufgenommen. Ansonsten erfolgte in den 1990er Jahren eine kontinuierliche Heraufsetzung der Pauschsätze von 0,43 DM/km (1989) auf zuletzt 0,70 DM/km (1994).
Rn. 453
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Ein Systemwechsel erfolgte ab VZ 2001 durch das Gesetz zur Einführung einer Entfernungspauschale v 21.12.2000 (BGBl I 2000, 1918). Die bisherigen Kilometerpauschbeträge bei Fahrten mit eigenem oder zur Nutzung überlassenen Kfz wurden ersetzt durch eine nach der Entfernung gestaffelte verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale (0,36 EUR/km für di...