Rn. 911
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Tritt bei Nutzung des WG zu Erwerbszwecken eine Substanzeinbuße (technische Abnutzung) oder eine Einschränkung seiner Nutzungsmöglichkeit (wirtschaftliche Abnutzung) ein, etwa durch Beschädigung oder Untergang eines Arbeitsmittels, kann der StPfl eine Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung (AfaA) vornehmen. Die außergewöhnliche "Abnutzung" geschieht durch Einwirken auf das WG im Zusammenhang mit seiner steuerbaren Nutzung (BFH v 14.01.2004, IX R 30/02, BStBl II 2004, 592; BFH v 08.04.2014, IX R 7/13, BFH/NV 2014, 1202).
Bei einer schon im Zeitpunkt der Anschaffung bestehenden Beschränkung der wirtschaftlichen Nutzbarkeit und Verwendungsmöglichkeit ist AfaA nicht zu gewähren (BFH v 14.01.2004, IX R 30/02, BStBl II 2004, 592; BFH v 8.04.2014, IX R 7/13, BFH/NV 2014, 1202).
Es handelt sich dabei um ein Wahlrecht, wie sich aus der Formulierung des § 7 Abs 1 S 7 EStG, wonach diese Abschreibung "zulässig" ist, ergibt (v Bornhaupt in K/S/M, § 9 EStG Rz I 115). Dem StPfl steht es frei, stattdessen die regelmäßige AfA zu Ende zu führen, sofern das WG trotz der Beschädigung weiterhin nutzungsfähig ist und für Zwecke der Einkünfteerzielung genutzt wird.
Eine bloße Wertminderung ohne Substanzeinbuße lässt sich demgegenüber nicht in Form einer AfaA berücksichtigen, weil Wertveränderungen im Bereich der Überschusseinkünfte unbeachtlich sind (BFH v 27.08.1993, VI R 7/92, BStBl II 1994, 235). Bei einem nicht abnutzbaren WG wie dem Grund und Boden kann einer möglichen Wertminderung ebenfalls nicht durch eine AfaA Rechnung getragen werden (BFH v 16.10.1997 IV R 5/97, BStBl II 1998, 185). Im Urteil BFH v 10.05.2016, IX R 33/14, BFH/NV 2016, 1446 hat der BFH die Frage offengelassen, ob dies bei irreparablen Umweltschäden oder bei einer dauerhaften Minderung der Bodenqualität anders zu sehen ist (so Kulosa in Schmidt, § 7 EStG Rz 181; Grube, DB 2006, 63). Bei Erwerb eines objektiv technisch oder wirtschaftlich noch nicht verbrauchten Gebäudes und anschließendem Abbruch kann der Erwerber AfaA jedoch nur dann abziehen, wenn er das Gebäude nicht in Abbruchabsicht erworben und anschließend grundlegend umgebaut hat; in diesem Fall sind die Abbruchkosten Teil der HK und iRd laufenden AfA abzuschreiben (BFH v 13.04.2010, IX R 16/09, BFH/NV 2010, 1799).
Die AfaA bemisst sich der Höhe nach aus der Differenz zwischen dem fiktiven Buchwert des WG im Schadenszeitpunkt und dem verbleibenden Restwert (BFH v 24.11.1994, IV R 25/94, BStBl II 1995, 318; BFH v 21.08.2012, VIII R 33/09, BStBl II 2013, 171). War die Nutzungsdauer schon abgelaufen, kommt eine AfaA nicht in Betracht. Zu beachten ist aber, dass bei Erwerb eines gebrauchten WG eine neue Nutzungsdauer für die Zeit der Restnutzung zu ermitteln ist (FG He v 09.05.2000, 9 K 438/99, EFG 2000, 1377; FG Köln v 19.03.2001, 5 K 9178/98).
Lässt der StPfl einen Schaden durch Reparatur beheben, sind die Reparaturkosten grds als WK nach § 9 Abs 1 S 1 EStG abzuziehen (im Fall eines Pkw-Unfallschadens auf dem Weg zur Tätigkeitsstätte sind mit Einführung der verkehrsmittelunabhängigen Entfernungspauschale zum VZ 2001 "sämtliche Aufwendungen" abgegolten; nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 14/4242, 6; BT-Drucks 14/4435, 9) fallen hierunter auch außergewöhnliche Kosten wie zB Unfallkosten; auch s BFH v 20.03.2014, VI R 29/13, BStBl II 2014, 849); eine alternative Berücksichtigung von AfaA ist jedenfalls insoweit nicht zulässig, als die Substanzeinbuße durch die Reparatur vollständig behoben wurde (BFH v 31.01.1992, VI R 57/88, BStBl II 1992, 401; BFH v 27.08.1993, VI R 7/92, BStBl II 1994, 235). Verbleibt hingegen nach der Reparatur eine auf technischen Mängeln beruhende erhebliche Wertminderung, kommt eine AfaA in Betracht (BFH v 27.08.1993, VI R 7/92, BStBl II 1994, 235).
Der merkantile Minderwert als rein wirtschaftliche Wertminderung kann keinesfalls als AfaA geltend gemachten werden (BFH v 31.01.1992, VI R 57/88, BStBl II 1992, 401). Erhält der StPfl Schadensersatz, lässt den Schaden aber nicht beheben, ist der erhaltene Schadensersatz steuerfrei, wenn der StPfl keine AfaA geltend gemacht hat. Hat er zuvor den Schaden jedoch in Form von AfaA berücksichtigt, führt der Schadensersatz, der zum Zwecke des Ersatzes von WK gezahlt wird, im Zeitpunkt des Zuflusses zu stpfl Einnahmen (BFH v 01.12.1992, IX R 189/85, BStBl II 1994, 11; BFH v 01.12.1992, IX R 333/87, BStBl II 1994, 12).
Die AfaA ist grundsätzlich in dem VZ vorzunehmen, in dem sich der Sachverhalt verwirklicht, der die AfaA begründet, spätestens im VZ der Entdeckung der technischen oder wirtschaftlichen Abnutzung. Der StPfl kann mit der Geltendmachung nicht warten, bis feststeht, ob und in welcher Höhe eine Versicherung Schadensersatz leistet (B...