Rn. 683

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

§ 9 Abs 1 S 3 Nr 5 S 2 EStG enthält eine Legaldefinition der doppelten Haushaltsführung Danach liegt eine doppelte Haushaltsführung (nur) vor, wenn der ArbN außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt. Der Ort des eigenen Hausstands und der Ort der ersten Tätigkeitsstätte müssen demnach auseinanderfallen (BFH v 21.01.1972, VI R 95/71, BStBl II 1972, 262; BFH v 08.10.2014, VI R 16/14, BStBl II 2015, 511; BFH v 07.05.2015, VI R 71/14, BFH/NV 2015, 1240). Eine doppelte Haushaltsführung ist deshalb nicht gegeben, wenn der StPfl in einer Wohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte aus beruflichen Gründen einen Zweithaushalt führt, aber auch der vorhandene "eigene Hausstand" am Ort der ersten Tätigkeitsstätte belegen ist (BFH v 16.11.2017, VI R 31/16, BStBl II 2018, 404; BFH v 16.01.2018, VI R 2/16, BFH/NV 2018, 712).

Erforderlich ist somit, dass der ArbN zwei Wohnungen unterhält: eine am Ort der ersten Tätigkeitsstätte und eine weitere (den "Hausstand") außerhalb hiervon. Kennzeichnend für die doppelte Haushaltsführung ist die Aufsplittung der für gewöhnlich einheitlichen Lebensführung auf zwei getrennte Haushalte (BFH v 24.11.1989, VI R 66/88, BStBl II 1990, 312). In Bezug auf den "Hausstand" oder Ersthaushalt verlangt das Gesetz, dass es sich um einen "eigenen"Hausstand handelt, der vom StPfl auch "unterhalten" werden muss. Gemäß § 9 Abs 1 S 3 Nr 5 S 3 EStG setzt dies das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung voraus. Weiteres ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist, dass die Wohnung den Lebensmittelpunkt bildet. In Bezug auf die zweite Wohnung fordert der Gesetzeswortlaut lediglich, dass sie sich am Ort der ersten Tätigkeitsstätte befindet.

1. Unterhalten eines eigenen Hausstands außerhalb des Ortes der ersten Tätigkeitsstätte

a) Hausstand

 

Rn. 684

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

Der eigene Hausstand iSd § 9 Abs 1 S 3 Nr 5 S 2 EStG ist der Haushalt, den der ArbN am Lebensmittelpunkt führt, also sein Erst- oder Haupthaushalt (zB BFH v 05.06.2014, VI R 76/13, BFH/NV 2014, 1884). Ein solcher Hausstand setzt eine eingerichtete, den Lebensbedürfnissen entsprechende Wohnung des ArbN sowie die finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung (laufende Kosten der Haushaltsführung) voraus (R 9.11 Abs 3 S 1 LStR 2015). Der Wohnungsbegriff ist weit auszulegen. Es reicht aus, wenn für den StPfl und seine Familie ein räumlicher Bereich zur Verfügung steht, der von ihm als Lebensmittelpunkt betrachtet werden kann und es auch ist (BFH v 27.07.1990, VI R 5/88, BStBl II 1990, 985). Erst recht braucht es sich bei dem Hausstand nicht um eine Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinne zu handeln (BFH v 14.10.2004, VI R 82/02, BStBl II 2005, 98). Einfache und beengte Lebensverhältnisse stehen der Annahme eines Hausstands nicht entgegen.

Abgrenzungsfragen in Bezug auf das Vorliegen eines Hausstands können sich uU bei aus Entwicklungsländern stammenden ArbN ergeben. In solchen Fällen ist auf die landestypischen Verhältnisse abzustellen. So kann beispielsweise der Hausstand eines Gastarbeiters im Heimatland nicht deshalb verneint werden, weil dort in der Wohnung einer Großfamilie für alle Bewohner nur eine Küche zur Verfügung steht (BFH v 27.07.1990, VI R 5/88, BStBl II 1990, 985; FG Mchn v 02.05.1984, I 145/83 L, EFG 1984, 547).

Im Allgemeinen gilt jedoch, dass der Ersthaushalt regelmäßig besser und komfortabler ausgestattet sein muss als die Zweitwohnung am Beschäftigungsort. Ist das nicht der Fall, so ist darin ein starkes Indiz dafür zu sehen, dass der Lebensmittelpunkt des StPfl in Wirklichkeit am Beschäftigungsort liegt und die doppelte Haushaltsführung steuerlich nicht anerkannt werden kann. Die Grenzfälle für das Vorliegen einer Wohnung tauchen von daher eher bei der Prüfung auf, ob am Beschäftigungsort eine Zweitwohnung unterhalten wird, s Rn 722.

b) "Eigener" Hausstand

 

Rn. 685

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Der ArbN muss die Räumlichkeiten des Ersthaushalts aus eigenem oder abgeleiteten Recht nutzen; es muss gesichert sein, dass er die Wohnung nicht nur vorübergehend nutzen kann (BFH v 14.10.2004, VI R 82/02, BStBl II 2005, 98). Ein Vorbehaltsnießbrauch an der vom ArbN genutzten Wohnung schließt einen eigenen Hausstand nicht aus, wenn gesichert ist, dass er die Wohnung nicht nur vorübergehend nutzen kann (BFH v 04.11.2003, VI R 170/99, BStBl II 2004, 16). Nur unter dieser Voraussetzung lässt sich von einem eigenen Hausstand sprechen. An einem eigenen Hausstand fehlt es, wenn der ArbN lediglich in einen fremden Hausstand eingegliedert ist (zB bei den Eltern oder als Gast).

 

Rn. 686

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

Aus eigenem Recht nutzt der StPfl eine Wohnung, wenn er als Eigentümer oder Mieter über die Wohnung verfügen kann (BFH v 05.10.1994, VI R 62/90, BSBl II 1995, 180). Das gilt auch, wenn ihm ein Nutzungsrecht gemeinsam mit anderen zusteht, etwa im Falle einer Wohngemeinschaft. Aus abgeleitetem Recht nutzt der StPfl die Wohnung, wenn zwar sein Lebenspartner die Wohnung angemietet hat, er diesem gegenüber kraft Gesetz...

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