Rn. 10
Stand: EL 149 – ET: 02/2021
§ 91 Abs 1 S 3 u 4 EStG sind als lex specialis zu den Korrekturvorschriften der AO zu qualifizieren. Die zentrale Stelle kann ermittelte und ausgezahlte Zulagen ändern und ggf zurückfordern, die FA können Entscheidungen über gesondert festgestellte Steuerermäßigungen anpassen, soweit die Ergebnisse der Datenerhebung zeigen, dass die ursprünglich ermittelte und ausgezahlte Zulage bzw die gesondert festgestellte Steuerermäßigung unzutreffend war. Auch s BMF v 21.12.2017, BStBl I 2018, 93 Rz 306 u 307.
Killat-Risthaus in H/H/R, § 91 EStG Rz 3 (Stand 05/2013); Lindberg in Blümich, § 91 EStG Rz 2 und 3 und Arteaga/Veit in Korn, § 91 EStG Rz 4 haben ebenfalls keine Zweifel, dass die zentrale Stelle und die FA Entscheidungen über Zulagen und über gesondert festgestellte Steuerermäßigungen nach § 91 Abs 1 S 3 u 4 EStG aufgrund der Ergebnisse der Datenerhebung anpassen können.
Rn. 11
Stand: EL 149 – ET: 02/2021
Höchstrichterliche Rspr, wie die Korrekturvorschrift im Einzelnen anzuwenden ist, liegt noch nicht vor.
Das FG Nds v 04.04.2012, 3 K 330/11, EFG 2012, 1636 hat keinen Zweifel daran gelassen, dass ein ESt-Bescheid nach § 91 Abs 1 S 4 EStG geändert werden darf. Ebenso hat das FG D'dorf v 16.07.2014, 2 K 4322/13 E, EFG 2014, 1875 entschieden. Auch das FG Mchn v 29.10.2014, 9 K 1277/14, EFG 2015, 228 stellt in seiner Entscheidung darauf ab, dass die Vorschrift des § 91 Abs 1 S 4 EStG eine Ermächtigung zur Änderung von Steuerbescheiden gibt. Die Vorschrift ist aus Sicht des erkennenden Gerichts lex specialis zu den Änderungsvorschriften der AO.
Das FG BdW v 28.10.2011, 13 K 1051/11, EFG 2012, 843 lässt in seiner Entscheidung offen, ob § 91 Abs 1 S 4 EStG als Ermächtigungsgrundlage für den Erlass eines geänderten Steuerbescheides herangezogen werden kann und stützt seine Argumentation auf § 173 AO. Hier bleibt abzuwarten, ob sich der Anwendungsbereich des § 91 Abs 1 S 3 u 4 EStG durch weitere Rspr klärt.
Durch weitere Rspr verfestigt sich der Aspekt, dass die Regelung aus § 91 Abs 1 S 4 EStG als eine spezialgesetzliche Änderungsnorm zu qualifizieren ist. Hier ist zum einen auf die Entscheidung des FG Ha v 05.12.2018, 1 K 326/16 zu verweisen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, Rev wurde eingelegt (X R 2/19). Nach Auffassung des erkennenden Senats begründet § 91 Abs 1 S 4 EStG nicht nur eine Mitteilungspflicht, sondern stellt auch eine spezialgesetzliche Änderungsnorm iSd § 172 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst d AO dar. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Kläger werden gemeinsam zur ESt veranlagt. Beide Kläger verfügen über einen Altersvorsorgevertrag, den sie regelmäßig besparen. In der ESt-Veranlagung wurden jeweils SA-Abzüge berücksichtigt. Aufgrund des Hinweises der zentralen Stelle, dass einer der Kläger mittelbar zulageberechtigt sei, erließ das beklagte FA Änderungsbescheide. Die Steuerermäßigungen wurden neu festgestellt. Die Kläger legten Einspruch ein und wiesen darauf hin, dass beide Kläger unmittelbar zulageberechtigt seien. Das FA half den Einsprüchen teilweise ab. Im Übrigen verwies das FA darauf, dass die Voraussetzungen für die Änderungen der ESt-Bescheide gegeben seien. Aufgrund des Hinweises der zentralen Stelle, dass der Datenabgleich eine Abweichung zu dem in der Steuerfestsetzung berücksichtigten SA-Abzug bzw der gesonderten Feststellung nach § 10a Abs 4 EStG ergeben habe, seien die Steuerbescheide entsprechend zu ändern gewesen. Ein Ermessen stehe dem FA nicht zu. Dagegen wenden sich die Kläger und führen aus, dass die Vorschrift des § 91 Abs 1 S 4 EStG eine Änderungsvorschrift iSd § 172 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst d AO sei. Aber der Vorschrift sei keine materielle Wirkung dergestalt beizumessen, dass das beklagte FA an die Mitteilung der zentralen Stelle gebunden sei.
Nach Wertung des erkennenden Senats ist die Steuerfestsetzung oder die gesonderte Feststellung zu ändern, soweit die Überprüfung durch die zentrale Stelle im automatisierten Datenabgleich eine Abweichung von dem in der Steuerfestsetzung berücksichtigten SA-Abzug oder der gesonderten Feststellung ergibt. Dem FA steht kein Ermessen zu. Der erkennende Senat verweist auf die Gesetzesbegründung. Die für die Streitjahre einschlägige Formulierung der Norm bringt nach dem Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass § 91 Abs 1 S 4 EStG nicht nur eine Mitteilungspflicht begründet, sondern auch eine spezialgesetzliche Änderungsnorm iSd § 172 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst d AO darstellt. Auf die BT-Drucks 16/6739 wird verwiesen.
Eine entsprechende Wertung ergibt sich auch aus der rechtskräftigen Entscheidung des Fg He v 30.10.2018, 9 K 678/16. Das Gericht stellt darauf ab, dass das FA nicht durch den Grundsatz von Treu und Glauben daran gehindert ist, ESt-Bescheide (hier für die VZ 2011, 2012 und 2013) nach § 91 Abs 1 S 4 EStG zu ändern und Altersvorsorgebeiträge nicht länger als SA nach § 10a EStG zu berücksichtigen, wenn der StPfl gegenüber dem Anbieter nicht innerhalb der gesetzlichen Zwei-Jahres-Frist in ...