Rn. 40
Stand: EL 144 – ET: 07/2020
Die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug setzt gemäß § 15 Abs 1 S 1 UStG voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Unionsrechtlich ergibt sich das Erfordernis einer Rechnung für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus Art 217ff MwStSystRL (früher Art 18 Abs 1 Buchst a, 28h iVm Art 22 Abs 3 6. EG-RL). Durch die Richtlinie 2001/115/EG v 20.12.2001 (ABlEG Nr L 15 v 17.01.2002, 24ff) hat der Rat umfangreiche Regelungen zum Mindestinhalt einer Rechnung getroffen (Rechnungsrichtlinie). Diese ist durch die Neufassung der §§ 14, 14a UStG durch das StÄndG 2003 (BGBl I 2003, 2645) im deutschen UStG umgesetzt worden. Die Berechtigung zum Vorsteuerabzug setzt den Besitz einer Rechnung voraus, die über die Merkmale der Rechnungsdefinition in § 14 Abs 1 UStG hinaus die in § 14 Abs 4 S 1 Nr 1–9 UStG aufgezählten Angaben enthält (BFH v 17.02.2011, V R 39/09, BStBl II 2011, 734). Eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung muss daher folgende Angaben enthalten:
(1) |
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers, |
(2) |
die dem leistenden Unternehmer v FA erteilte Steuernummer oder die ihm v Bundeszentralamt für Steuern erteilte USt-ID-Nr, |
(3) |
das Ausstellungsdatum, |
(4) |
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung v Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer), |
(5) |
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung, |
(6) |
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des § 14 Abs 5 S 1 UStG den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt, |
(7) |
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10 UStG) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist, |
(8) |
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt, und |
(9) |
in den Fällen des § 14b Abs 1 S 5 UStG einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers. |
Das entspricht der Rspr des EuGH, wonach eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung grundsätzlich alle von Art 226 der MwStSystRL aufgestellten Anforderungen erfüllen muss (EuGH v 15.07.2010 C-368/09, DStR 2010, 1475 Pannon Gep).
Rn. 41
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Hervorzuheben ist, dass Leistender und Leistungsempfängers eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Rechnung ersichtlich sein müssen (BFH v 30.04.2009, V R 15/07, BStBl II 2009, 744; BFH v 17.12.2008 XI R 62/07, BStBl II 2009, 432). Nach bisheriger Rspr des BFH wurde das Merkmal "vollständige Anschrift" in § 14 Abs 4 S 1 Nr 1 UStG nur durch die Angabe der zutreffenden Anschrift des leistenden Unternehmers erfüllt, unter der er seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet; die Angabe eines Scheinsitzes bzw Briefkastensitzes mit nur postalischer Erreichbarkeit, an dem im Zeitpunkt der Rechnungstellung keinerlei geschäftliche Aktivitäten stattfinden, reichte danach als zutreffende Anschrift nicht aus (zB BFH v 22.07.2015, V R 23/14, BStBl II 2015, 914; BFH v 27.06.1996, V R 51/93, BStBl II 96, 620).
Daran hält der BFH nach dem EuGH-Urteil Geissel und Butin (EuGH v 15.1.2017, C-374/16 u C-375/16, (EU:C:2017:867)) nicht mehr fest. Eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung setzt nach der geänderten Rspr nicht voraus, dass die wirtschaftlichen Tätigkeiten des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt werden, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist. Es reicht jede Art von Anschrift und damit auch eine Briefkastenanschrift, sofern der Unternehmer unter dieser Anschrift erreichbar ist (BFH v 21.06.2018, V R 25/15, BStBl II 2018, 809).
Rn. 42
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Die Angaben in der Rechnung müssen auch eine leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung ermöglichen (BFH v 17.12.2008, XI R 62/07, BStBl II 2009, 432). Der durch die durch die Richtlinie 2001/115/EG v 20.12.2001 (ABlEG, L 15 v 17.01.2002, 24ff) geänderte Art 28h iVm Art 22 Abs 3 Buchst b 6. EG-RL (seit 01.01.2007 Art 226 Nr 6 MwStSystRL) verlangt die Angabe der Menge und die Art der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der erbrachten Dienstleistungen. Diese Regelung hat durch das StÄndG 2003 (BGBl I 2003, 2645) Eingang in die Neufassung des § 14 Abs 4 Nr 5 UStG gefunden.
Dem Unternehmer, der den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen will, muss die Originalrechnung vorgelegen haben. Den Nachweis, dass diese Voraussetzung erfüllt gewesen ist, kann er allerdings mit allen verfahrensrechtlich zulässigen Beweismitteln führ...