Leitsatz
Im Streitfall beschäftigt ein ungarisches Werkvertrags unternehmen (Arbeitgeber) in Deutschland ausschließlich ungarische Arbeitnehmer. Diese unterliegen in ihrem Heimatland Ungarn in vollem Umfang der dortigen Sozialversicherungspflicht. Diese deckt die Kosten z. B. für eine medizinische Behandlung während des arbeitsbedingten Aufenthalts in Deutschland nur mit den Beträgen ab, die in Ungarn für entsprechende Leistungen aufzuwenden wären. Um den Versicherungsschutz der ungarischen Arbeitnehmer auch in Deutschland in voller Höhe sicherzustellen, hat der Arbeitgeber für alle nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer Gruppen versicherungsverträge zur Unfall- und Krankenversicherung geschlossen. Die vom Arbeitgeber geleisteten Prämienzahlungen auf diese Versicherungen hat die Finanzverwaltung als steuerpflichtigen → Arbeitslohn der Arbeitnehmer angesehen.
Der Bundesfinanzhof folgte dieser Beurteilung durch die Finanzverwaltung nicht und hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest. Danach ist dem Arbeitnehmer aufgrund der Beitragszahlungen des Arbeitgebers ein geldwerter Vorteil und damit steuerpflichtiger Arbeitslohn erst dann zugeflossen, wenn ihm gegen die Versicherung ein unentziehbarer Anspruch auf die Leistungen zusteht. Leistet der Arbeitgeber dagegen Beiträge an eine Versicherungseinrichtung, die dem Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch einräumt, sind erst die laufenden von der Versorgungseinrichtung an den Arbeitnehmer gezahlten Bezüge als Arbeitslohn zu qualifizieren.
Nach diesen Grundsätzen sind die Prämien des Arbeitgebers für eine Gruppen-Krankenversicherung seiner Arbeitnehmer nur steuerpflichtiger Arbeitslohn, wenn die Arbeitnehmer die Ansprüche im Krankheitsfall selbst gegen den Versicherer geltend machen können.
Steht dagegen bei einer → Gruppenunfallversicherung die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag allein dem Arbeitgeber zu, stellt dessen Prämienzahlung auch dann keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn dar, wenn die Arbeitnehmer selbst Anspruchsinhaber sind. Der BFH geht hier von einem nur „mittelbaren” Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Versicherer aus, der für die Annahme des Zuflusses von Arbeitslohn noch nicht ausreicht. Der BFH sieht die Rechte des Arbeitnehmers dadurch, dass ein etwaiger Versicherungsanspruch nur vom Versicherungsnehmer (Arbeitgeber) geltend gemacht werden kann, als so eingeschränkt an, dass von einem unmittelbaren Rechtsanspruch des Arbeitnehmers im Sinne der Rechtsprechung des BFH nicht gesprochen werden kann (BFH, Urteil v. 13. 4. 1976, VI R 216/72, BStBl 1976 II S. 694). Die dieser Beurteilung entgegenstehende Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 LStDV 1990 ff. beruhen nach Auffassung des BFH nicht auf einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage und binden deshalb das Gericht nicht (Hinweis u.a. auf BFH, Urteil v. 27. 5. 1993 VI R 19/92, BStBl 1994 II S. 246; Schmidt/Drenseck, EStG, 18. Aufl., § 19 Rz. 50 „Zukunftssicherungsleistungen”).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 16.04.1999, VI R 66/97
Hinweis:
Der BFH hat in einem vergleichbaren Streitfall, in dem eine Wirtschaftsprüfer-Sozietät (Arbeitgeber) für ihre Arbeitnehmer eine Gruppenunfallversicherung abgeschlossen hatte, ebenso entschieden; dies, obwohl der BFH nicht verkannt hat, dass dem Arbeitgeber im Hinblick auf die an den Arbeitnehmer auszukehrende Versicherungsleistung nur die Stellung einer „Durchgangsperson” eingeräumt ist. Der BFH weist insbesondere darauf hin, dass im Falle des Konkurses des Arbeitgebers ein etwaiger Konkursverwalter möglicherweise ein Interesse daran hat, dass die Leistungen aus der Versicherung in die Konkursmasse gelangen.
Auf der Grundlage dieser neuen Rechtsprechung des BFH kann jedem Unternehmer nur geraten werden, statt der üblichen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse, soweit dies möglich ist, Werkvertragsunternehmen aus Billiglohnländern einzuschalten und die Arbeitnehmer dieser Werkvertragsunternehmen nur zu mittelbar Berechtigten etwa abgeschlossener Gruppenunfallversicherungen zu machen. Durch eine solche Gestaltung lassen sich Kostenvorteile im Vergleich zu Betrieben erreichen, die mit sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern arbeiten. Es bleibt abzuwarten, ob und wann der Gesetzgeber eine einwandfreie Ermächtigungsgrundlage für § 2 Abs. 2 Nr.3 LStDV in der zur Zeit geltenden Fassung schaffen wird, um auf diesem Gebiet eine hinreichende Wettbewerbsneutralität des Steuerrechts herzustellen.