Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Umschulung zur Physiotherapeutin. Befürchtung zukünftiger Arbeitslosigkeit im ausgeübten Beruf. Verbesserung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt. keine behinderungsbedingte Gefährdung der Erwerbsfähigkeit. Verhältnis der Leistungsgesetze zum SGB 9 bei Teilhabeleistungen
Leitsatz (amtlich)
1. Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für behinderte Menschen ist sowohl nach dem SGB 6 als auch nach dem SGB 3, dass die Teilhabeleistungen behinderungsbedingt erforderlich sind. Hieran fehlt es, wenn eine ausgebildete Masseurin/medizinische Bademeisterin ihren erlernten Beruf unter Berücksichtigung ihrer Behinderungen unstreitig weiter ausüben kann. Die Argumentation, eine Umschulung zur Physiotherapeutin verspreche bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, stellt für sich genommen keinen berücksichtigenswerten Gesichtspunkt dar.
2. Allein die Befürchtung, in der Zukunft arbeitslos zu werden, begründet keinen Teilhabeanspruch. Sind ausschließlich Aspekte des Arbeitsmarktes für die befürchtete Arbeitslosigkeit maßgeblich, so kann sich ein Anspruch auf die Übernahme von Weiterbildungskosten nur aus den §§ 81 f SGB 3 ergeben.
Orientierungssatz
Aus der Regelung des § 33 SGB 9 kann nicht unmittelbar ein Anspruch (hier: auf Leistungen zur beruflichen Anpassung und Weiterbildung) hergeleitet werden, sondern diese Regelung betrifft die konkrete Ausgestaltung eines nach den konkreten Leistungsgesetzen bestehenden Teilhabeanspruchs.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 30. April 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Die 1966 geborene Klägerin ist ausgebildete Masseurin und medizinische Bademeisterin. Die Klägerin ist blind und arbeitet seit 15. September 1998 als Masseurin und medizinische Bademeisterin bei der Praxis für Physiotherapie C. K. in M..
Am 19. März 2012 beantragte die Klägerin bei der Beigeladenen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Zur Begründung ihres Antrags führte die Klägerin aus, altersbedingt sei in absehbarer Zeit mit der Aufgabe der Praxis zu rechnen, aus diesem Grund habe sie versucht, einen neuen Arbeitsplatz zu bekommen. Bisher habe sich kein Praxisinhaber bereit erklärt, sie nur als Masseurin bzw. medizinische Bademeisterin zu beschäftigen (Bl. 6 der Verwaltungsakte). Die Klägerin fügte dem Antrag als Anlage ein Schreiben des Berufsförderungswerkes Mainz vom 5. März 2012 bei. Hierin wird vom Berufsförderungswerkes Mainz ausgeführt, die Absolventen der Ausbildungslehrgänge Masseur und medizinische Bademeister und Physiotherapie würden von der Einrichtung bei der Vermittlung in den Arbeitsmarkt eng betreut, es könne bestätigt werden, dass die Einstellungschancen für Physiotherapeuten um ein Vielfaches und damit unvergleichlich höher seien als die für Masseure und medizinische Bademeister. Der Klägerin werde daher empfohlen, die Weiterqualifikation zur Physiotherapeutin zu absolvieren. Bei drohender Arbeitslosigkeit sei dies eine praktisch unerlässliche Voraussetzung für die dauerhafte Integration am Arbeitsmarkt (Bl. 9 der Verwaltungsakte).
Die Beigeladene leitete den Antrag der Klägerin mit Schreiben vom 19. März 2012 an die Beklagte weiter. Die dortige Prüfung habe ergeben, dass die Beklagte der zuständige Rehabilitationsträger sei (Bl. 7 der Verwaltungsakte).
Nach Einholung eines Befundberichts beim Allgemeinarzt Dr. M. lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24. Mai 2012 den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab. Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei nicht erheblich gefährdet oder gemindert, sie sei in der Lage, weiterhin eine Beschäftigung als Masseurin und medizinische Bademeisterin auszuüben. Für die Vermittlung eines geeigneten Arbeitsplatzes sei die Agentur für Arbeit zuständig (Bl. 23 der Verwaltungsakte).
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 21. Juni 2012 Widerspruch. Zur Begründung trug die Klägerin vor, die jetzige Arbeitgeberin sei 60 Jahre alt und gehe in absehbarer Zeit in Ruhestand, die Praxis werde nicht fortgeführt, es sei wegen der Verhältnisse in den Praxisräumen nicht zu erwarten, dass an dem Standort weiterhin eine Physiotherapie-Praxis betrieben werde. Die Klägerin habe daher begonnen, sich um eine berufliche Alternative zu bemühen. Sie habe Initiativbewerbungen versandt und sich auch telefonisch mit Physiotherapiepraxen in Verbindung gesetzt. Die Antwort der Praxen sei stets gleich gewesen, es habe geheißen, dass man Masseure nicht einstelle, da die Krankenkassen Massagen nicht mehr so häufig verschreiben würden wie noch vor einigen Jahren. Gefragt sei vielmehr die Qualifikation der Physiotherapeutin. Es drohe also im Falle der Klägerin durchaus eine Minderung der Erwerbsfähigkeit, so dass hier entsprechende Teilhabeleistungen zu gewähren seien. Die Klägerin legte e...