Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Wegfall des Krankengeldes. Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Fristsetzung der Krankenkasse. ärztliches Gutachten. Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit. Bezugnahme auf Bescheid des Rentenversicherungsträgers nicht ausreichend

 

Leitsatz (amtlich)

Das nach § 51 SGB V erforderliche Gutachten muss aus sich heraus verständlich und für die Verwaltungsentscheidung der Krankenkasse und eine gerichtliche Überprüfung nachvollziehbar sein. Die Bezugnahme im Gutachten auf einen Bescheid des Rentenversicherungsträgers, mit dem ein Antrag des Versicherten auf Bewilligung von Leistungen zur Rehabilitation mit der Begründung abgelehnt wurde, die Erwerbsfähigkeit des Versicherten könne durch Leistungen der medizinischen Rehabilitation nicht wesentlich gebessert werden, genügt nicht.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 21.02.2020 sowie der Bescheid der Beklagten vom 29.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.02.2018 aufgehoben.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Klage- und im Berufungsverfahren.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Aufforderung der Beklagten, einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu stellen. Er befürchtet eine sich ggf anschließende Rückforderung des ihm gezahlten Krankengeldes.

Der am … 1983 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert sowie bei der beigeladenen Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV) rentenversichert. Der Kläger war zuletzt als Informationselektroniker versicherungspflichtig beschäftigt. In der Zeit vom 19.06.2017 bis 26.10.2018 bezog er von der Beklagten Krankgeld. Seit dem 27.10.2018 ist er über den Bezug von Arbeitslosengeld I/II krankenversichert. Seit dem 01.01.2017 bezieht der Kläger Leistungen der Pflegeversicherung in Pflegegrad 2.

Der Kläger befand sich vom 17.06.2015 bis 15.07.2015 zur medizinischen Rehabilitation in der L.-Klinik in B. D.. Im Entlassungsbericht vom 23.07.2015 sind die Diagnosen (1) Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit Einschränkungen der psychomentalen Funktionen und hinsichtlich der interpersonellen Interaktion; (2) Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode ohne langfristige Funktionsbeeinträchtigung; (3) Vitiligo angeführt.

Am 31.01.2016 beantragte der Kläger bei der Beigeladenen formlos eine Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Schreiben vom 04.02.2016 wurden dem Kläger die Antragsvordrucke übersandt. Unter dem 17.08.2016 bat die Beigeladene noch einmal um Vorlage eines formellen Antrags bis 09.09.2016. Sofern er nicht mitwirke, müsste wegen fehlender Mitwirkung die Versagung von Leistungen geprüft werden. Mit Bescheid vom 30.11.2016 wurde die Gewährung einer Rente wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt, weil der Kläger den formellen Rentenantrag nicht vorgelegt habe.

Am 09.02.2017 beantragte der Kläger bei der Beigeladenen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Diesen Antrag lehnte die Beigeladene mit Bescheid vom 22.02.2017 ab mit der Begründung, die Erwerbsfähigkeit des Klägers könne durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beigeladene mit Widerspruchsbescheid vom 17.05.2017 zurück.

Zuvor hatte die Beigeladene den Kläger mit Schreiben vom 23.02.2017 gebeten, einen formellen Rentenantrag zu stellen. Nach ihren Feststellungen seien Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zwar nicht erfolgsversprechend, da die Erwerbsfähigkeit durch die beantragte Leistung zur Teilhabe voraussichtlich nicht wesentlich verbessert oder wiederhergestellt werden könne. Seine Erwerbsfähigkeit sei jedoch erheblich gemindert. Erst in einem Rentenverfahren könne geprüft werden, ob er eine Rente wegen Erwerbsminderung erhalten könne. Dieser Aufforderung kam der Kläger nicht nach. Daraufhin erließ die Beigeladene unter Hinweis auf die §§ 60 und 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) mit Datum vom 22.05.2017 einen weiteren Bescheid. Darin führte sie aus, dem Antrag des Klägers auf Rente vom 09.02.2017 könne sie nicht entsprechen, solange er nicht mitwirke.

Seit dem 05.05.2017 ist der Kläger arbeitsunfähig. Vom 05.05. bis 12.05.2017 befand er sich in stationärer Behandlung. Ab dem 19.06.2017 erhielt er von der Beklagten Krankengeld in Höhe von 52,02 € brutto pro Kalendertag (Bescheid der Beklagten vom 25.07.2017).

Am 23.06.2017 sprach der Kläger bei der Beigeladenen persönlich vor und erkundigte sich, warum er keine Reha bekomme. Bei dieser Vorsprache wurde ihm laut Aktenvermerk das Procedere hinsichtlich der Umdeutung [eines Reha-Antrages in einen Rentenantrag] erklärt. Wegen einer medizinischen Reha wurde er von der Mitarbeiterin der Beigeladenen an die Beklagte verwiesen. Der Kläger teilte bei dieser Gelegenheit mit, auf keinen Fall eine Rente haben zu wollen. Er kündigte an, sich an die Beklagte zu wenden.

In der Zeit...

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