Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung vertragsärztlicher Leistungen. Aufhebung von Honorarbescheiden. Honorarrückforderung. keine Rechtswidrigkeit des Erstattungsbescheids beim Ergehen zeitlich getrennt vom Aufhebungsbescheid. Wahrung der vierjährigen Ausschlussfrist. Aufhebung des Honorarbescheids dem Grunde nach. keine neue Ausschlussfrist bei Widerspruch. keine Hemmung der Verjährung beim Erlass des Erstattungsbescheids 5 ½ Jahre nach dem Aufhebungsbescheid
Leitsatz (amtlich)
1. Bei § 50 Abs 3 SGB 10 handelt es sich um eine Sollvorschrift. Ergeht ein Erstattungsbescheid zeitlich getrennt vom Aufhebungsbescheid, macht das darin liegende Abweichen von dem in § 50 Abs 3 SGB 10 vorgesehenen Regelfall den Erstattungsbescheid nicht rechtswidrig.
2. Die vierjährige Ausschlussfrist zur Durchführung der sachlich-rechnerischen Richtigstellung ist auch gewahrt, wenn innerhalb der Ausschlussfrist nur eine Aufhebung des Honorarbescheids dem Grunde nach erfolgt.
3. Wird gegen die Aufhebungsentscheidung Widerspruch eingelegt, so beginnt keine neue Ausschlussfrist zu laufen. Die Ausschlussfrist ist vielmehr während des nun laufenden Widerspruchsverfahrens gehemmt. Einem Erstattungsbescheid, der 5 ½ Jahre nach dem Aufhebungsbescheid ergeht, kann die Einrede der Verjährung (hier genauer: der abgelaufenen Ausschlussfrist) nicht entgegen gehalten werden.
4. Rechtsstaatliche Gründe (ewiges Prüfverfahren) stehen der in § 52 SGB 10 angeordneten Hemmung der Verjährung auch dann nicht entgegen, wenn der konkretisierende Erstattungsbescheid erst 5 ½ Jahre nach dem Aufhebungsbescheid erlassen wird.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 08.12.2011 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 629.057,34 € festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Honorarbescheide für die Quartale 4/99 bis 3/01 zu Recht teilweise aufgehoben worden sind und die Klägerin deshalb Honorar in Höhe von 629.057,34 € zurückzuzahlen hat.
Die Klägerin ist seit 1978 als Fachärztin für Chirurgie in U. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Seit 1989 übt sie ihre vertragsärztliche Tätigkeit in Gemeinschaftspraxis aus. Im hier streitigen Zeitraum gehörten neben der Klägerin Dr. S. H. und Dr. S. A. zur Gemeinschaftspraxis. Seit 01.12.2000 führt die Klägerin wieder eine Einzelpraxis.
In den Abrechnungssammelerklärungen von Dr. B., Dr. H. und Dr. A. vom 04.01.2000 für das Quartal 4/99, vom 03.04.2000 für das Quartal 1/00 und vom 04.07.2000 für das Quartal 2/00 erfolgten auf Seite 1 des Vordrucks in der Spalte “Vertreter/Assistent„ keine Eintragungen. In der von der Klägerin und Dr. H. unterzeichneten Abrechnungssammelerklärung vom 04.10.2000 für das Quartal 3/00 wird angegeben, vom 01.07. bis 30.09.2000 seien Dr. J. und Frau Dr. B. als genehmigte Assistenten in der Praxis tätig gewesen. Die in der Folge allein von der Klägerin unterschriebenen Abrechnungssammelerklärungen vom 05.01.2001 für das Quartal 4/00, vom 06.04.2001 für 1/01 und vom 02.07.2001 für 2/01 enthielten wieder keine Angaben in Bezug auf einen Vertreter oder Assistenten. Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 10.09.2001 gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Südwürttemberg (KV SW), der Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Situation in ihrer Praxis beschrieben und angefragt hatte, ob sie die von den beiden Kollegen (Dr. E. und Dr. P.) durchgeführten Operationen abrechnen dürfe, und sie von der KV SW mit Schreiben vom 26.09.2001 darauf hingewiesen wurde, dass die Beschäftigung eines Assistenten grundsätzlich der vorherigen Genehmigung der KV bedürfe, gab sie in der Abrechnungssammelerklärung vom 03.10.2001 an, in der Zeit vom 01.07. bis 05.09.2001 seien Dr. H., Dr. J. und Dr. B. als genehmigte Assistenten bzw. Vertreter in ihrer Praxis tätig gewesen.
Nach einem Gespräch am 04.10.2001 mit Vertretern der Beklagten im Ärztehaus gab die Klägerin mit Schreiben vom 15.10.2001 eine ausführliche Darstellung der Probleme ihrer Praxis und der Schwierigkeiten mit den anderen Mitgliedern der Gemeinschaftspraxis in der Vergangenheit sowie der Probleme, die mit Assistenten und ärztlichen Vertretern aufgetreten waren. Es hätte zum Aufgabenkreis von Dr. H. gehört, für die Assistenten eine Genehmigung bei der KV SW zu beantragen. Sie habe sich im Rahmen der Aufgabenteilung zwischen Dr. H., Dr. A. und ihr nicht um die Genehmigung und Einstellung von Assistenten weiter gekümmert. Nach der Trennung von Dr. H. und Dr. A. hätten seit Februar 2001 Dr. E. und seit März 2001 Frau Dr. P. in der Praxis gearbeitet. Da sich beide als ungeeignet erwiesen hätten, habe sie diese Ärzte nicht angemeldet, sondern sich von beiden im Juni 2001 wieder getrennt. Im September 2001 habe sie zudem festgestellt, dass auch für Dr. J. und für Frau Dr. B. keine Genehmigungen der KV SW vorgelegen hätten. Die Tätigkeit der beiden sei daraufhin eingestellt worden.
Die KV SW bewertete ...