Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Angaben. Werbebroschüre. keine Zusicherung iSd § 34 SGB 10. künstliche Befruchtung. keine lebensbedrohliche oder wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung
Leitsatz (amtlich)
Angaben in einer von einer Krankenkasse herausgegebenen Werbebroschüre enthalten keine Zusicherung iSd 34 SGB X.
Orientierungssatz
1. Maßnahmen, die sich als Teil einer künstlichen Befruchtung erweisen, regelt das Gesetz allein im Rahmen des § 27a SGB 5 (vgl BSG vom 28.9.2010 - B 1 KR 26/09 R = SozR 4-2500 § 27a Nr 12 und BSG vom 17.2.2010 - B 1 KR 10/09 R = SozR 4-2500 § 27 Nr 18).
2. Der drohende Eintritt der Unfruchtbarkeit ist keine lebensbedrohliche bzw wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung (vgl BSG vom 17.2.2010 - B 1 KR 10/09 aaO).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe 08.07.2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagte die Erstattung der Kosten für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung.
Die 1976 geborene Klägerin ist seit dem 01.08.2016 bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Ihr Ehemann ist privat krankenversichert.
Am 16.10.2018 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Beteiligung an den Kosten für eine (fünfte) in-vitro-Fertilisation (IVF) in Form einer intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI). Mit Bescheid vom 17.10.2018 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung gab sie an, die IVF sei „auf 3 Versuche begrenzt“. Diese Versuche habe die Klägerin bereits erfolglos unternommen. Auch eine Beteiligung an den Kosten nach Maßgabe ihrer Satzung scheide aus. Diese Möglichkeit bestehe nur, wenn beide Ehepartner während des Behandlungszeitraum bei ihr, der Beklagten, versichert seien. Bei dem Ehemann der Klägerin sei dies jedoch nicht der Fall.
Hiergegen legte die Klägerin am 03.11.2018 Widerspruch ein. Sie machte geltend, entgegen der Auffassung der Beklagten habe sie die zulässige Zahl von drei Versuchen noch nicht ausgeschöpft. Es seien nur solche Versuche anzurechnen, bei denen das Kind ohne Herzschlag geblieben sei. Das sei nur in zwei der fünf Versuche der Fall gewesen. Abgesehen davon habe ihr die Beklagte vor „Vertragsunterzeichnung“ im Jahr 2016 versprochen, sie werde sich an den Kosten für IVF auch nach Vollendung des 40. Lebensjahres beteiligen, obwohl ihr Ehemann kein Mitglied sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, gemäß § 27a Abs 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bestehe ein Anspruch auf medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nicht für weibliche Versicherte, die das 40. Lebensjahr vollendet haben. Die Klägerin sei bereits älter als 40 Jahre. Ein Anspruch auf Kostenbeteiligung nach Maßgabe ihrer Satzung scheide ebenfalls aus: Zwar erbringe die Beklagte gemäß § 11 Abs 6 SGB V iVm § 13 Abs 2 Satz 1 SGB V zusätzliche Leistungen zur künstlichen Befruchtung für weibliche Versicherte, die das 40. Lebensjahr vollendet haben. Dies gelte aber nur, wenn beide Ehepartner während des Behandlungszeitraums bei ihr versichert seien. Daran fehle es hier. Angesichts dessen gelte die Altersgrenze von 40 Jahren.
Hiergegen hat die Klägerin am 19.02.2019 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie hat vorgetragen, mittlerweile, im März 2019, hätten die begehrten Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung mittels ICSI stattgefunden. Hierfür habe sie insgesamt 5.075,34 € gezahlt. Sie sei nur deshalb Mitglied der Beklagten geworden, weil ihr ein Mitarbeiter der Beklagten in einem Gespräch zugesichert habe, die Beklagte werde sich an den Kosten für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung auch nach Vollendung ihres 40. Lebensjahres beteiligen. Der Mitarbeiter habe gewusst, dass ihr Ehemann nicht bei der Beklagten versichert sei. Gleichwohl habe er sie nicht darauf hingewiesen, dass dieser Umstand einer Beteiligung an den Kosten entgegenstehe. Irreführend sei auch die Werbung der Beklagten, in der sie ihre Zusatzleistungen darstelle: Dem Werbeprospekt sei nicht klar zu entnehmen, dass die Beklagte bei weiblichen Versicherten jenseits des 40. Lebensjahres, deren Ehepartner nicht Mitglied der Beklagten sei, keinerlei Kosten für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung übernehme. Sie hat noch geltend gemacht, der EuGH habe bereits 2012 (Az c - 59/12) entschieden, dass auch für öffentliche Körperschaften das Verbot der irreführenden Werbung gelte, dies ergebe sich aus einer EU-Richtlinie aus 2005 „über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen“.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.07.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kostenerstattungsanspruch bereits an einem fehlenden primären Sachleistungsanspruch scheitere. Ein Anspruch nach § 27a Abs 3 Satz 1 SGB V sei ausgeschlossen, weil die Klägerin bei Durchführung der Maßnahmen im März 2019 bereits 42 Jahre alt gewesen sei. Die Beklagte über...