Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. stiller Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft. abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die stille Beteiligung (§§ 230ff HGB) an einer KG steht der Annahme eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zwischen dem stillen Gesellschafter und der KG nicht entgegen, wenn der stille Gesellschafter nicht am Verlust der Gesellschaft und auch nicht am Betriebsvermögen und den stillen Reserven der Gesellschaft beteiligt ist. Da ein stiller und selbst ein atypisch stiller Gesellschafter im Außenverhältnis grundsätzlich nicht haftet (BGH vom 1.3.2010 - II ZR 249/08, juris mwN), trifft den Beschäftigten auch über die stille Beteiligung kein Unternehmerrisiko.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1 seit dem 1. Juli 1979 sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist.
Die Beigeladene zu 1 ist eine am 1. Januar 1955 gegründete Kommanditgesellschaft (KG), die einen Baustoffgroßhandel betreibt. Komplementär (persönlich haftender Gesellschafter) war ab 1964 der Vater der Klägerin, R. B. (V), der zu Beginn des Jahres 1979 mit einer Einlage von 60.000 DM (42,86 %) an der KG beteiligt war. Kommanditisten waren zu diesem Zeitpunkt die Mutter der Klägerin mit einer Einlage von 28.000 DM (20 %) und die beiden Schwestern der Mutter der Klägerin, H. L. und M. G., jeweils mit einer Einlage von 26.000 DM (18,57 %). Durch (mündlichen) Schenkungsvertrag vom 23. Februar 1979, notariell beurkundet am 4. August 1980 (vgl Bl 39 ff SG-Akte), wurden rückwirkend zum 1. Januar 1979 ua dem Bruder der Klägerin, M. B. (B), von den Eltern Anteile an den Einlagen in Höhe von 17.000 DM und der 1955 geborenen Klägerin Forderungen aus dem Darlehenskonto der Eltern in Höhe von 150.000 DM übertragen. Am 18. März 1979 verstarb die Mutter der Klägerin, so dass sich die Einlagen auf 71.000 DM bezüglich V (50,71 %), je 26.000 DM bezüglich der Schwestern der Mutter der Klägerin (je 18,57 %) und 17.000 DM bezüglich des B (12,14 %) verteilten.
Nach dem undatierten, notariell am 4. August 1980 beurkundeten (vgl Bl 35-38, 45 ff SG-Akte) und nach eigenen Angaben im Mai 1979 geschlossenen schriftlichen “Nachtragsvertrag und Vertrag über eine stille Gesellschaft„, beteiligte sich die Klägerin mit dem Forderungsbetrag aus dem Darlehenskonto als stille Gesellschafterin an der Beigeladenen zu 1. Die Wirkung der stillen Beteiligung wurde ab 1. Januar 1979 vereinbart (§§ 1 f). Geregelt wurde ua, dass die Geschäftsführung weiterhin dem Komplementär obliegt (§ 3), die Gewinnbeteiligung durch Gesellschafterbeschluss festgelegt wird, die Klägerin weder an einem etwaigen Verlust der Gesellschaft (§ 4) noch am Betriebsvermögen und den stillen Reserven der Beigeladenen zu 1 (§ 8) beteiligt ist und eine beiderseitige Kündigung der Beteiligung mit einer Frist von zwölf Monaten möglich ist (§ 5).
Mit Pflichtteilsabfindungsvertrag vom 4. August 1980 (vgl Bl 50 ff SG-Akte) übertrug V ua Anteile an den Einlagen in Höhe von 27.000 DM auf B und einen weiteren Betrag in Höhe von 180.000 DM aus dem Darlehenskonto an die Klägerin zur Erhöhung der stillen Beteiligung. Die stille Einlage der Klägerin wurde nach der Schenkung des V vom 3. Januar 1987 aus seinem Darlehenskonto über 300.000 DM nochmals (auf nunmehr 630.000 DM) erhöht. 1998 verstarb V, am 14. Oktober 2002 wurde als nunmehr einziger Komplementär B im Handelsregister eingetragen, der gleichzeitig als Kommanditist ausschied.
Nach dem Tod der Mutter brach die Klägerin nach eigenen Angaben ihr Studium ab, begann am 1. Juli 1979 bei der Beigeladenen zu 1 eine Ausbildung zur Groß- und Einzelhandelskauffrau und übernahm im Betrieb der Beigeladenen zu 1 die zuvor von der Mutter erledigten Aufgaben im kaufmännischen Bereich. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde nach Angaben der Klägerin nicht geschlossen. Der Beklagten, deren Mitglied die Klägerin seit 1. September 1979 ist, wurde nach den Aufzeichnungen ab 1. Januar 1980 unterschiedlich hohes Entgelt mit Ausnahme der Zeiträume vom 12. Januar 1989 bis 27. April 1989 und vom 17. Mai 1991 bis 28. August 1991 gemeldet. Von dem Arbeitsentgelt wurden Gesamtsozialversicherungsbeiträge abgeführt und es wurde als Betriebsausgabe gebucht.
Am 11. Mai 2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, den sozialversicherungsrechtlichen Status festzustellen. Im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen gaben die Klägerin und die Beigeladene zu 1 an, die Klägerin sei seit 1979 als Personalleiterin und Kauffrau im Betrieb bei einer unregelmäßigen Arbeitszeit von vier bis fünf Stunden an fünf Tagen in der Woche und einem regelmäßigen monatlichen Arbeitsentgelt in Höhe von 3500 € brutto mo...