Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. hauptberuflich selbstständige Rechtsanwältin. Nebentätigkeit als Geschäftsführerin eine eingetragenen Vereins. abhängige Beschäftigung. Festsetzung von Säumniszuschlägen
Leitsatz (amtlich)
Eine hauptberuflich selbständige Rechtsanwältin, die neben ihrer anwaltlichen Tätigkeit als Geschäftsführerin eines eingetragenen Vereins (eV) tätig ist und hierfür eine monatliche Vergütung erhält, ist in der Tätigkeit als Geschäftsführerin abhängig beschäftigt. Dies gilt auch für Zeiten, in denen sie dem Vorstand des Vereins angehört.
Orientierungssatz
Allein das Fehlen der Kenntnis von der Beitragszahlungspflicht steht der Festsetzung von Säumniszuschlägen nicht entgegen. Vielmehr sind Säumniszuschläge nur dann nicht zu erheben, wenn die Unkenntnis unverschuldet ist.
Normenkette
SGB IV § 28p Abs. 1 Sätze 1, 5, § 7 Abs. 1 Sätze 1-2, § 7a Abs. 1 S. 1, § 14 Abs. 2, § 22 Abs. 2, § 24 Abs. 2, § 27 Abs. 3 S. 2, § 28e Abs. 1 S. 1, § 28g Sätze 1-2, § 28h Abs. 2; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1, § 2 S. 1, §§ 6, 157, 159; SGB V § 5 Abs. 5; SGB III § 25 Abs. 1; BGB § 40 S. 1, § 276; SGB X § 89 Abs. 5, § 93; SGG § 54 Abs. 1 S. 1, § 197a Abs. 2; VwGO § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 03.04.2019 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 26.287,68 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen im Rahmen einer Betriebsprüfung.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der sich zum Ziel die Information der Öffentlichkeit über die Vorteile einer Schiedsgerichtsbarkeit im Erbrecht, insbesondere unter den Gesichtspunkten kurzfristige und effiziente Durchführung von Prozessverfahren, kostengünstige Prozessgestaltung und Streitschlichtung sowie Erhaltung des Familienfriedens gesetzt hat. Der Vereinszweck soll gemäß § 2 der Satzung durch die Abhaltung von Fortbildungs- und Vortragsveranstaltungen, die Verfassung von Druckschriften sowie die gezielte Information der Medien zum Thema Schiedsgerichtsbarkeit im Erbrecht erreicht werden.
Die Beigeladene ist hauptberuflich als selbständige Rechtsanwältin in einer Kanzlei tätig und Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg. Sie ist zudem aufgrund des Geschäftsführervertrags vom 01.04.2004 für den Kläger als Geschäftsführerin tätig. Ihr Tätigkeitsbereich umfasst nach § 1 des Geschäftsführervertrags die Einrichtung und Verwaltung von Geschäftsstellen, die Akquisition neuer Geschäftsstellen, die Überwachung und Koordination der Schiedsverfahren, die Koordination der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Koordination von Meetings der Geschäftsstellenleiter. Sie erhielt für ihre vertragliche Tätigkeit ein monatliches Honorar iHv zunächst 750 € (§ 2 des Geschäftsführervertrags), in der Zeit vom 01.01.2012 bis 31.07.2013 iHv 1.200 €. Am 10.07.2013 schlossen der Kläger und die Beigeladene einen Vertrag über die freie Mitarbeit der Tätigkeit der Beigeladenen ab 01.08.2013 bei im Wesentlichen gleichen Auftragsinhalten. Die Beigeladene erhielt für ihre freie Mitarbeit ab dem 01.08.2013 monatlich einen Betrag iHv 1.800 € zuzüglich Mehrwertsteuer, ab 01.08.2014 iHv 2.000 €. Seit 01.08.2015 ist sie außerdem Vorstandsmitglied des Vereins.
Der „Vertrag über freie Mitarbeit“ vom 10.07.2013 lautet auszugsweise wie folgt:
§ 1 Tätigkeit
Die Auftragnehmerin, Frau Rechtsanwältin U. S.-S., übernimmt ab 01.08.2013 für den Auftraggeber folgende Tätigkeiten als Auftragnehmerin:
- Einrichtung und Verwaltung von Geschäftsstellen
- Akquisition neuer Geschäftsstellen
- Überwachung und Koordination der Schiedsverfahren
- Koordination der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
- Koordination von Meetings der Geschäftsstelleninhaber
- Koordination von Seminaren
Die Auftragnehmerin unterliegt bei der Durchführung der übertragenen Tätigkeiten keinen Weisungen des Auftraggebers. Sie ist in der Gestaltung ihrer Tätigkeit frei. Auf besondere vereinsspezifische Belange im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit ist jedoch Rücksicht zu nehmen.
Die Auftragnehmerin ist an keinerlei Vorgaben zum Arbeitsort oder Arbeitszeit gebunden. Projektbezogene Zeitvorgaben des Auftraggebers sind ebenso einzuhalten wie fachliche Vorgaben, soweit diese zur ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung erforderlich sind.
Die Auftragnehmerin ist ferner berechtigt, Aufträge des Auftraggebers ohne Angabe von Gründen abzulehnen.
§ 2 Leistungserbringung
Die Auftragnehmerin ist verpflichtet, die Arbeitsleistung höchstpersönlich zu erbringen, soweit es sich um juristische Fragestellungen handelt. Die Hinzuziehung eigener Mitarbeiter oder die Vergabe von Unteraufträgen bedarf der vorherigen Zustimmung des Auftraggebers. Kosten hierfür hat die Auftragnehmerin zu tragen.
Die Auftragnehmerin ist frei in der Wahl ihres Arbeitsortes. Soweit in Einzelfällen eine Anwesenheit in de...