Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Minderung des quantitativen Leistungsvermögens bei psychischen Erkrankungen. Behandelbarkeit
Leitsatz (amtlich)
Die Behandelbarkeit einer psychischen Erkrankung ist für die Frage, ob eine quantitative Leistungsminderung vorliegt, nicht maßgeblich; sie ist allein für die Befristung bzw die Dauer einer Rente von Bedeutung.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Februar 2019 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren. Im Übrigen bleibt es bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren noch die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 03.12.2018 bis 31.12.2020 streitig.
Die 1975 geborene Klägerin hat den Beruf der Justizfachangestellten erlernt. Seit 2005 war sie als Pflegehelferin, zuletzt im Umfang von 75 % versicherungspflichtig beschäftigt. Eine Ausbildung zur Pflegefachkraft brach sie im März 2014 ab. Seit Januar 2015 ist sie arbeitsunfähig erkrankt. Vom 18.02.2015 bis 04.01.2016 und vom 03.02.2016 bis 06.07.2016 bezog die Klägerin Krankengeld, vom 05.01.2016 bis 02.02.2016 Übergangsgeld und vom 07.07.2016 bis 05.07.2017 Arbeitslosengeld. Darüber hinaus bezieht sie nach dem Tod ihres Manns im Jahr 2007 eine Witwenrente. Das Landratsamt A. - Amt für Versorgung und Rehabilitation - stellte bei der Klägerin mit Bescheid vom 16.06.2017 einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 ab dem 09.03.2017 fest.
Vom 05.01.2016 bis 02.02.2016 gewährte die Beklagte der Klägerin eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik B., aus der sie mit den Diagnosen SIG-Irritationssyndrom beidseits im Sinne einer Spondylarthritis, rezidivierende Polyarthralgien, z.B. an den Schultern, Ellbogen, Kniegelenken, möglicherweise im Rahmen einer Autoimmunerkrankung (Sweet-Syndrom), Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion und Adipositas für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig leistungsfähig entlassen wurde. Aus psychotherapeutischer Sicht hätten sich keine quantitativen oder qualitativen Leistungseinschränkungen ergeben.
Am 07.03.2017 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte zog Befundberichte der behandelnden Ärzte und den Entlassungsbericht der Klinik B. vom 02.02.2016 bei und veranlasste eine Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologie, Sozialmedizin und Rehabilitationswesen Dr. C., der in seinem Gutachten vom 12.05.2017 zu der Einschätzung gelangte, die Klägerin sei unter Berücksichtigung näher dargelegter qualitativer Einschränkungen in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Pflegehelferin sei dauerhaft nicht leidensgerecht. Sie leide unter einer chronischen Schmerzstörung mit körperlichen und psychischen Faktoren, angegebener bedarfsabhängiger Schmerztherapie mittlerer Stärke, insgesamt leichtgradiger Funktionseinschränkung der Wirbelsäule (vorwiegend LWS) bei kernspintomographischen Hinweisen auf Kreuzdarmbeingelenksaffektion (fragliche Sakroiliitis), aktuell keine ausreichenden Hinweise auf Morbus Bechterew, einer Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion, Bluthochdruck (Therapieverzicht), Ober- und Unterschenkelvarikosis beidseits und Adipositas.
Gestützt auf das Gutachten von Dr. C. lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 26.05.2017 ab.
Zur Begründung ihres hiergegen am 20.06.2017 eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin im Wesentlichen vor, die Beklagte habe medizinisch nicht ausreichend ermittelt und den tatsächlichen Gesundheitszustand falsch beurteilt. Die orthopädischen Leiden in Form der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, der Schultergelenke, beider Hüftgelenke und beider Kniegelenke seien nicht ausreichend berücksichtigt. Sie leide hingegen nicht an einem erhöhten Blutdruck, weshalb eine Therapie hierfür nicht erforderlich sei. Unter Bezugnahme auf ärztliche Befundunterlagen verwies sie zudem auf eine vorliegende Spondylarthritis sowie eine mittlere Depression.
Dr. C. führte in einer ergänzenden Stellungnahme vom 26.07.2017 hierzu aus, auch unter Berücksichtigung der im Widerspruchsverfahren vorgelegten Informationen ergäben sich keine Zweifel am täglich mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen. Die Wirbelsäulenfunktion und die Funktion des Bewegungsapparates seien nur leichtgradig ausgeprägt. Soweit die Formulierung „Therapieverzicht“ so verstanden worden sei, dass dies der Klägerin negativ angerechnet werde, sei dies ein Missverständnis; dies sei definitiv nicht der Fall. Die Depression sei nach den gutachterlich erhobenen psychopathologischen Befunden unter gut vertragener antidepressiver Therapie bei im niedrigen therapeutis...