Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. Toilettengang. Beginn bzw Ende des versicherten Wegs zur Toilette
Leitsatz (amtlich)
Der unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehende Weg zur Toilette zur Verrichtung der Notdurft endet an der Tür zu der aus Vorraum mit Waschbecken und eigentlichen Toiletten bestehenden Toilettenanlage und nicht erst mit Durchschreiten der Schwelle zwischen diesen beiden Räumen in Richtung Toilettenkabinen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.06.2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Arbeitsunfalls streitig.
Die 1987 geborene Klägerin war am Unfalltag - dem 08.09.2016 - als Verkäuferin bei der D. G. Feinkost- und Weinhandelsgesellschaft mbH versicherungspflichtig beschäftigt und im B. in S. von 06.00 bis 15.30 Uhr tätig. Sie rutschte am Unfalltag gegen 10.15 Uhr in den Personaltoiletten, die dem gesamten, im B. tätigen Personal zur Verfügung stehen, auf nassem Boden aus und fiel auf die rechte Körperhälfte (Bl. 23-1, 38-1, 39-1 VA). Die Klägerin arbeitete weiter und suchte am Unfalltag nach Ende der Arbeitszeit den Allgemeinmediziner Dr. J. auf, der eine Prellung des Ellenbogens und des Handgelenkes bei von der Klägerin angegebenen Schmerzen diagnostizierte (Bl. 1-1 VA). Der die Klägerin am Folgetag untersuchende Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. M. diagnostizierte darüber hinaus eine Prellung der Schulter und der Rippen sowie eine Distorsion der Halswirbelsäule (Bl. 17-1 VA).
Die Klägerin gab zum Unfallhergang an, sie zu den Toiletten gegangen und habe von weitem gesehen, dass der Boden noch nass war (Bl. 23-1 VA). Sie sei reingelaufen und auf die rechte Seite gefallen. Der Unfall habe sich nicht in der Toilettenkabine, sondern auf dem Weg dorthin ereignet (Bl. 35 VA). Sie sei in der Toilettenanlage, welche sich ebenso wie die Filiale ihrer Arbeitgeberin im Erdgeschoss 1 befinde, im Bereich der Schwelle zwischen dem Waschraum und demjenigen Raum gestürzt, von welchem die Toilettenkabinen zugänglich seien (Bl. 38-1, 39-1 VA mit Skizze zu den Örtlichkeiten, auf die zur weiteren Feststellung der Örtlichkeiten verwiesen wird). Wegen des nassen Fußbodens habe eine Gefahrensituation bestanden. Es seien keine Hinweisschilder aufgestellt gewesen (Bl. 23-1, 35 VA).
Die Arbeitgeberin der Klägerin teilte auf Nachfrage der Beklagten - ebenfalls unter Vorlage einer identischen Skizze zu den Örtlichkeiten (Bl. 38-1 VA) - mit, der Unfall sei beim Gang zur Toilette erfolgt und der Boden der Toiletten sei am Unfalltag gereinigt worden, wobei entsprechende Hinweisschilder bezüglich des nassen Bodens aufgestellt gewesen seien (Bl. 24, 25, 28-1 VA).
Mit Bescheid vom 03.01.2017 (Bl. 33-1 VA) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2017 (Bl. 41-1 VA) entschied die Beklagte, dass der Unfall vom 08.09.2016 nicht als Arbeitsunfall anerkannt werde und ein Anspruch auf Entschädigungsleistungen aus Anlass dieses Unfalls nicht bestehe. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die zum Unfallzeitpunkt verrichtete Tätigkeit - der Aufenthalt in den Toilettenräumen, hier im Vorraum zum WC - eine eigenwirtschaftliche und daher nicht versicherte sei. Der Versicherungsschutz ende regelmäßig mit Durchschreiten der Tür, die zur Toilettenanlage führe. Eine besondere Gefahrensituation habe nicht bestanden, da die Arbeitgeberin ihren Verkehrssicherungspflichten nachgekommen sei und nach der Reinigung des Bodens entsprechende Hinweisschilder aufgestellt habe.
Die Klägerin hat dagegen am 05.04.2017 Klage zum Sozialgericht Stuttgart erhoben und weiterhin bestritten, dass Hinweisschilder bezüglich des nassen Bodens aufgestellt gewesen seien. Dadurch, dass die Arbeitgeberin selbst keine Personaltoiletten in der Filiale habe und sie die Filiale zum Aufsuchen der dem gesamten Personal vom Betreiber des B. es zur Verfügung gestellten Toilettenräume verlassen müsse, sei eine gesonderte Gefahrenquelle geschaffen worden, zumal die Arbeitgeberin keine unmittelbare Kontrolle über die Personaltoilette und auch gegenüber dem Reinigungspersonal keine Kontroll- bzw. Weisungsbefugnis habe. Genau diese Gefahr habe sich hier realisiert, da der Boden nass und rutschig gewesen sei und keine Warnschilder aufgestellt gewesen seien. Zur weiteren Begründung verwies die Klägerin auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 17.11.2016 (2 C 17.16), wonach ein Unfall während des Aufenthalts in der Toilettenanlage nach dem Beamtenrecht ein Dienstunfall sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 29.06.2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, da der Aufenthalt in der Toilettenanlage zur Verrichtung der Notdurft - im Gegensatz zum Zurücklegen des Weges dorthin - keine versicherte Tätigkeit sei. Auch...