Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. einstweilige Anordnung. Kosten der Unterkunft. Glaubhaftmachung der Entstehung von Unterkunftskosten durch Einnahme des Augenscheins im Rahmen eines Hausbesuches. Folgen der Ablehnung eines Hausbesuches
Orientierungssatz
1. Ist zweifelhaft, ob Räume als Unterkunft i.S.d. § 22 Abs. 1 SGB II genutzt werden, ist dies im Verwaltungs- und ggf. in einem anschließenden Gerichtsverfahren von Amts wegen zu ermitteln. Ein geeignetes Beweismittel kann dabei auch die Einnahme des Augenscheins (§ 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X bzw. § 106 Abs. 3 Nr. 6 SGG) durch eine Besichtigung der fraglichen Räume sein.
2. Lehnt der Leistungen Begehrende eine solche Beweiserhebung ab und lässt sich nicht durch andere Beweismittel feststellen, ob die Voraussetzungen für die Erbringung der begehrten Leistung erfüllt sind (hier: Nutzung als “Unterkunft„), ist die Leistung letztlich abzulehnen (So auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. Dezember 2007 - L 7 B 284/07 AS ER).
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 2. Februar 2009 geändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig für die Zeit ab dem 1. April 2009 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache, längstens bis zum 30. Juni 2009 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 358,21 Euro monatlich zu erbringen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die Hälfte der ihr in beiden Rechtszügen entstandenen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde hat - nur - teilweise Erfolg.
Die Antragstellerin hat mit ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 19. Januar 2009 (wonach sie ihre Wohnung “ständig benutze„ und täglich den Briefkasten leere) einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 86b Abs. 2 Satz 4 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG] i.V.m. § 920 der Zivilprozessordnung [ZPO]), wofür ein geringerer Grad an Überzeugung ausreicht als für einen (im Hauptsacheverfahren erforderlichen) Beweis. Den weiterhin bestehenden - und vom Sozialgericht geteilten - Zweifeln daran, dass die Antragstellerin die von ihr gemietete Wohnung (nicht nur “benutzt„, sondern) bewohnt und “als Unterkunft„ (und nicht lediglich als Briefkasten oder für andere Zwecke) nutzt, die durch die Erläuterungen der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 5. März 2009 keineswegs verringert, sondern eher verstärkt werden, andererseits aber lediglich auf vage Angaben bzw. Vermutungen namentlich nicht genannter “Auskunftspersonen„ zurückzuführen sind, wird das Sozialgericht in der Hauptsache nachzugehen haben.
Allerdings erscheint dem Senat eine vorläufige Regelung vor einer Entscheidung in der Hauptsache zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Antragstellerin (sog. Anordnungsgrund - § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG) erst für die Zeit ab April 2009 nötig. Es mag sein, dass die Antragstellerin rechtlich nicht verpflichtet ist oder gar von der Antragsgegnerin (etwa mit Mitteln des Verwaltungszwangs) gezwungen werden kann, den Zutritt zu ihrer Wohnung (wenn es denn ihre Wohnung ist) zu gestatten oder zu dulden. Andererseits ist Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II), dass tatsächlich Aufwendungen für eine “Unterkunft„ (und nicht lediglich für - wenn auch als “Wohnung„ - gemietete, aber anderweitig oder überhaupt nicht genutzte Räume) entstehen. Ist - wie hier - zweifelhaft, ob Räume als Unterkunft i.S.d. § 22 Abs. 1 SGB II genutzt werden, ist dies im Verwaltungs- und ggf. in einem anschließenden Gerichtsverfahren von Amts wegen zu ermitteln. Ein geeignetes Beweismittel kann dabei auch die Einnahme des Augenscheins (§ 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs [SGB X] bzw. § 106 Abs. 3 Nr. 6 SGG) durch eine Besichtigung der fraglichen Räume sein (so auch - wenngleich im dortigen Fall als zur Klärung anspruchsbegründender Tatsachen untaugliches Beweismittel angesehen - Hessisches LSG, Beschluss vom 30. Januar 2006 - L 7 AS 1/06 ER und L 7 AS 13/06 ER - unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 30. Juli 1991 - 5 ER 657/91 -). Lehnt der Leistungen Begehrende eine solche Beweiserhebung ab und lässt sich nicht durch andere Beweismittel feststellen, ob die Voraussetzungen für die Erbringung der begehrten Leistung erfüllt sind (hier: Nutzung als “Unterkunft„), ist die Leistung letztlich abzulehnen (so auch das LSG Nordrhein-Westfalen in seinem von der Antragstellerin angeführten Beschluss vom 19. Dezember 2007 - L 7 B 284/07 AS ER -; s. im Übrigen zum auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast bereits BSG, Urteil vom 24. Oktober 1957 - 10 RV 945/55 -, BSGE 6, 70 [73 f.]).
Unter diesen Umständen obliegt es letztlich der Antragstellerin, die Leistungen für Unterkunft und Heizung ja nicht - nur - vorläufig, sondern - wie die von ihr in...