Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtliche Kontrolle eines Beschlusses der Schiedsstelle zur Vergütung der Leistungen einer Einrichtung des Betreuten Wohnens
Orientierungssatz
1. Die Entscheidung der Schiedsstelle des § 80 SGB 12 i. V. m. § 77 Abs. 1 S. 2 SGB 12 muss auf deren Nachvollziehbarkeit unter Beachtung der allgemeinen Beweisgrundsätze einschließlich der Denkgesetze vom Gericht überprüft werden können. Dies setzt tragfähige Tatsachenfeststellungen voraus, auf deren Grundlage die Abwägung vorgenommen wurde.
2. Bei der Festlegung der Höhe der Vergütung für eine Einrichtung des Betreuten Wohnens muss aus der Entscheidung der Schiedsstelle eine plausible Ermittlung des Unternehmergewinns und des Ausfallwagnisses unabhängig voneinander erkennbar hervorgehen.
3. Die Festsetzung der Vergütung darf nicht willkürlich erfolgen, sondern muss in einem nachvollziehbaren und den Vorgaben des sozialhilferechtlichen Leistungserbringungsrechts entsprechenden Verfahren vorgenommen werden. Die gerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob die von der Schiedsstelle gewählten Kriterien offensichtlich sachfremd sind.
4. Eine Schätzung oder Pauschalierung kommt nur dann in Betracht, wenn eine exaktere Bestimmung anhand eines modifizierten externen Vergleichs nicht möglich ist.
5. Hat die Schiedsstelle Ausfallwagnis und Unternehmergewinn zusammengefasst, ohne die Einzelwerte zu benennen bzw. die Gründe für die Vornahme einer Schätzung bzw. Pauschalierung und die der Schätzung zugrunde liegenden Annahmen nicht dargelegt, so ist der Beschluss der Schiedsstelle aufzuheben.
Tenor
Auf die Klage und Widerklage wird der Beschluss der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII des Landes Berlin vom 25. September 2014 aufgehoben.
Der Gebühren-Beschluss der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII des Landes Berlin (ohne Datum) wird aufgehoben.
Der Kläger und Widerbeklagte und die Beklagte und Widerklägerin tragen die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Mit seiner Klage wendet sich der Kläger (und Widerbeklagte) gegen einen Beschluss der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII des Landes Berlin, soweit darin Ausfallwagnis und Unternehmergewinn der Beklagten (zusammengefasst) für den Zeitraum vom 31. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2014 auf einen Wert von 4,7 % auf das errechnete Entgelt (Personalkosten und Sachkosten) festgesetzt wurden. Die Beklagte (und Widerklägerin) wendet sich mit ihrer (Wider-) Klage ebenfalls gegen die Festlegung des Ausfallwagnisses und des Unternehmergewinns, zusätzlich jedoch gegen die Festsetzung der Sachkosten auf - lediglich - 6,50 Euro.
Die Beklagte bietet in Berlin mit rund 2.500 Mitarbeitern in zahlreichen Diensten, Projekten und Einrichtungen vielfältige soziale Dienstleistungen an, darunter betreibt sie auch Einrichtungen des ambulanten betreuten Einzelwohnens für behinderte Menschen. Am 05. Dezember 2013 schloss sie mit dem Kläger eine Vereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 Sozialgesetzbuch/Zwölftes Buch (SGB XII) für den Zeitraum vom 01. Januar 2014 bis 31. Dezember 2015 für den Leistungstyp: Betreutes Einzelwohnen für Menschen mit geistiger, körperlicher und/oder mehrfacher Behinderung (BEWER). Die Vereinbarung beinhaltete eine Leistungsvereinbarung, eine Prüfungsvereinbarung sowie eine weitergeltende Vergütungsvereinbarung. Die prospektiv angestrebte Kapazität der zu betreuenden Personen (Plätze) betrug nach Punkt 3 der Leistungsvereinbarung im Vertragszeitraum 120. Unter Punkt III. regelten die Vertragschließenden, dass die bis einschließlich 31. Dezember 2013 vereinbarte Vergütungsvereinbarung bis zu einer Neuregelung unverändert weiter gelten solle. Die Vergütung betrug zum 31. Dezember 2013 pro Fachleistungsstunde 37,17 Euro. Bezüglich der Prüfungsvereinbarung wurde festgelegt, dass diesbezüglich die gesetzlichen Regelungen nach den §§ 75 ff. SGB XII sowie der Berliner Rahmenvertrag gemäß § 79 SGB XII für Hilfen in Einrichtungen einschließlich Diensten im Bereich Soziales (BRV) in der jeweils geltenden Fassung gelten sollten.
Mit am 23. Dezember 2013 bei dem Kläger eingegangenen Schreiben vom 18. Dezember 2013 forderte die Beklagte den Kläger zu Vergütungsverhandlungen für den Leistungstyp BEWER für den Zeitraum vom 01. Januar 2014 bis 31. Dezember 2014 auf. Die Entwicklung der Vergütung beim Leistungstyp BEWER sei in den letzten Jahren dadurch gekennzeichnet, dass die gegenwärtig vereinbarte Vergütung von den Anforderungen an eine leistungsgerechte Vergütung weit entfernt sei. Dies habe seine Ursachen wesentlich in der Struktur des Entgeltes bzw. in der Methode der Ermittlung bei den Vergütungsbestandteilen, die sich nicht auf die Personalkosten für die in der Betreuung tätigen Mitarbeiter bezögen. Anbieter von insgesamt ca. 1.700 BEWER-Plätzen in Berlin hätten sich in den vergangenen Monaten im Rahmen eines Benchmarks ausgetauscht. In diesem Austausch hätten sie eine mögliche Struktur für eine künftige Entgeltberechnung entwickelt. Diese Struktur sei in drei Bestandteile gegliedert...