Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit im Handel
Orientierungssatz
1. Sinn und Zweck des Gründungszuschusses nach § 93 SGB 3 ist es u. a., in der kritischen Anfangsphase das Überleben eines neu gegründeten Unternehmens zu sichern. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zulässig, auf einen erwarteten Jahresüberschuss abzustellen.
2. Würde sich jede andere Entscheidung als die Gewährung des vom Antragsteller begehrten Gründungszuschusses als rechtswidrig erweisen, so ist das dem Leistungsträger des SGB 3 eingeräumte Ermessen auf Null reduziert.
Normenkette
SGB III § 93 Abs. 1-2, § 94 Abs. 1-2, § 140 Abs. 3
Tenor
1. Auf die Anschlussberufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 5. August 2014 abgeändert und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 13. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juli 2013 verurteilt, der Klägerin antragsgemäß einen Gründungszuschuss zu gewähren. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat der Klägerin in beiden Rechtszügen die notwendigen außergerichtlichen Kosten voll zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die am … 1972 geborene Klägerin begehrt einen Gründungszuschuss für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit im Handel mit Produkten von exklusiver Strickqualität im Bereich Wohnen/Einrichten zum 1. Mai 2013.
Nach erfolgreicher Ausbildung zur Bankkauffrau und Studium der Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Marketing/Distribution/Handel war die Klägerin zunächst von April 2000 bis April 2002 anfänglich als "Nationaler Junior Product Manager Briefpapier" und später "Nationaler Product Manager Stationery und Lizenzprodukte" bei der Firma H. in B. versicherungspflichtig beschäftigt und dann von Juli 2002 bis Ende Dezember 2012 bei der Firma B. in H. anfänglich als "Junior International Product Manager Stationery Products" und später als "International Product Manager Large Area Masking", "International Senior Product Manager Distribution" sowie zuletzt im Bereich "Brand Management and International Trade Marketing Distribution Europe" bei einem Bruttojahreseinkommen deutlich über der Beitragsbemessungsgrenze von damals 67.200 Euro. Das Arbeitsverhältnis bei der Firma B. endete durch arbeitgeberseitige Kündigung vom 30. September 2011 nach arbeitsgerichtlichem Vergleich vom 31. Oktober / 8. November 2011 bei Zahlung einer Abfindung in Höhe von 10.000 Euro brutto am 31. Dezember 2012, wobei die Klägerin ab 1. Oktober 2011 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt war.
Am 26. März 2012 meldete die Klägerin sich telefonisch bei der Beklagten arbeitssuchend, bat um einen Beratungstermin und äußerte Interesse an der Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit durch einen Gründungszuschuss. Am 29. März 2012 erfolgte eine persönliche Vorsprache bei einer Arbeitsvermittlerin mit entsprechender Beratung, nach der die Klägerin ihre Arbeitssuchendmeldung zurückzog und bat, lediglich als Ratsuchende geführt zu werden.
Nach erneuter persönlicher Arbeitssuchendmeldung vom 26. September 2012 meldete die Klägerin sich am 5. November 2012 mit Wirkung zum 1. Januar 2013 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld, das ihr ab dem 1. Januar 2013 zunächst für 360 Kalendertage vorläufig in Höhe von 58,85 Euro täglich und schließlich - nach Beschränkung des Anspruchs bis zum 30. April 2013, dem Tag vor der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit, bei einem verbleibenden Restanspruch von 240 Tagen - in Höhe von 58,89 Euro täglich bewilligt wurde.
Während des Erstgesprächs am 5. November 2012 vermerkte die damals noch für die Beklagte tätige Arbeitsvermittlerin Frau G., dass die Prüfung des Vermittlungsvorganges ergeben habe, dass es keine passgenauen Vermittlungsvorschläge gebe. Die Suche nach Stellenangeboten sei negativ verlaufen. Das Bewerberprofil der Klägerin sei aktualisiert und als gemeinsames Ziel die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit festgelegt worden. Der Gründungszuschussantrag sowie die freiwillige Weiterversicherung seien im Einzelnen besprochen worden. Des Weiteren wurde eine bis zum nächsten Termin am 4. Mai 2013 gültige Eingliederungsvereinbarung geschlossen, in der als (einziges) Ziel die Selbstständigkeit mit Wohnaccessoires mit Standort H. angegeben wurde. Als Leistungen der Beklagten wurden umfassende Informationen zum Gründungszuschuss und zur freiwilligen Weiterversicherung genannt. Weiter hieß es, die Beklagte stelle das Bewerberprofil der Klägerin in ihre virtuelle Jobbörse anonym ein und unterbreite der Klägerin Vermittlungsvorschläge, sofern vorhanden. Als Bemühungen der Klägerin nannte die Vereinbarung zunächst, dass sie eine mögliche Selbstständigkeit bis zum März 2013 kläre und das Ergebnis der Arbeitsvermittlung mitteile. Darüber hinaus wurden verschiedene Verpflichtungen der Klägerin aufgezählt wie die Wahrnehmung von Terminen nach Einladungen zum...