Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Apothekerin in der Tätigkeit als Vertreterin einer Apothekenbetreiberin. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung
Orientierungssatz
1. Kann ein in einer Apotheke tätiger Apotheker über Ort, Zeit und Umfang seiner Tätigkeit aufgrund vertraglicher Vertretungstätigkeit frei verfügen und ist er dabei frei von Weisungen des Apothekeninhabers, erfolgt die Vergütung nach einem vereinbarten Stundenlohn, ist er in den Betrieb des Inhabers nicht eingegliedert, sondern für den Betrieb der Apotheke im Vertretungsfall allein verantwortlich, so ist von dem Bestehen einer selbständigen Tätigkeit auszugehen.
2. Dem widerspricht nicht das Fehlen einer eigenen Betriebsstätte und die Vereinbarung eines festen Stundenhonorars als Ausdruck eines fehlenden unternehmerischen Risikos.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 23.11.2017 geändert. Der Bescheid vom 10.6.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.2.2015 wird aufgehoben, soweit damit betreffend die Beigeladene zu 1) Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie Umlagen und Säumniszuschläge gefordert werden und die Versicherungspflicht in den genannten Zweigen der Sozialversicherung festgestellt wird. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits betreffend die Beigeladene zu 1) in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird für den gesamten Rechtsstreit auf 1.161,03 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) über eine Beitragsforderung wegen Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) als Apothekenvertreterin für die Klägerin.
Die Klägerin ist Apothekerin und betreibt eine Apotheke in M. Die Beigeladene zu 1), die ebenfalls Apothekerin sowie Mitglied der Apothekerkammer Nordrhein und des Apotheker-Versorgungswerks ist, war in den Zeiträumen
- vom 23.3 bis 26.3.2010 - vom 6.11. bis 20.11.2010 - vom 17.3. bis 2.4.2011 - vom 27.6. bis 2.7.2011 - vom 31.10. bis 12.11.2011 - sowie vom 22.3. bis 31.3.2012
als Vertreterin der Klägerin in deren Apotheke gegen jeweilige Honorarrechnungen auf Stundenbasis mit Sätzen von 23,40 Euro bzw. 35,00 Euro in den ersten beiden Rechnungen sowie anschließend von je 40,00 Euro tätig.
Entsprechende kurzzeitige Vertretungen übernahm die Beigeladene zu 1) in anderen Apotheken bzw. war ab dem 1.1.2012 in einer weiteren Apotheke versicherungspflichtig angestellt.
Die Beklagte führte bei der Klägerin vom 15.5.2013 bis 10.6.2014 eine Betriebsprüfung gem. § 28p SGB IV durch. Auf ihre Nachfrage gab die Beigeladene zu 1) in einem Fragebogen u.a. an, die näheren Arbeitsbedingungen seien mündlich festgelegt und die Arbeitstage und das Entgelt mündlich per Telefon oder per E-Mail vereinbart worden. Sie habe die Arbeitszeit frei gestalten können. Die Arbeiten seien in den Räumen der Klägerin auszuführen gewesen. Für ihre Tätigkeit habe sie Werbung betrieben durch Empfehlungen und über die Internetseite der Apothekerkammer Westfalen-Lippe. Hinsichtlich der Ausführung der Arbeit seien ihr keine Weisungen erteilt und ihre Arbeit auch nicht kontrolliert worden. Sie sei nicht in den betrieblichen Arbeitsablauf bei der Klägerin eingegliedert gewesen und habe nicht die gleichen Arbeiten wie fest angestellte Mitarbeiter der Klägerin ausgeführt. Berichte über ihre Tätigkeit hätten nicht abgegeben und ein Tätigkeitsnachweis (z.B. Arbeitszeitkarte, Gleitzeitkarte, Stempelnachweis etc.) nicht geführt werden müssen. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, eigenes Kapital einzusetzen oder sonstige Sicherheiten zu stellen. Ihr Honorar habe sie nach dem Einsatz in einem Betrag erhalten.
Nach Anhörung der Klägerin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 10.6.2014 für die o.g. Zeiträume und Tätigkeit die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) nach dem Recht der Arbeitsförderung und im Zeitraum vom 22.3. bis 31.3.2012 zusätzlich in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung fest und forderte hierfür Beiträge sowie die Umlagen U1, U2 und UI in Höhe von insgesamt 1.161,03 Euro einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 230,50 Euro nach. Entsprechende Feststellungen wurden für zwei weitere Apothekenvertreter getroffen. Diesbezügliche Verfahren werden aufgrund des Abtrennungsbeschlusses des Senats vom 15.2.2019 unter gesonderten Aktenzeichen geführt.
Zur Begründung ihres Bescheides führte die Beklagte aus, die Vertreter seien in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen, weil sie regelmäßig während der Öffnungszeiten hätten arbeiten müssen. Gem. § 1 Abs. 6 Apothekenbetriebsordnung vom 7.8.1968 (ApBetrO, BGBl. 1968, 939) habe der mit der Vertretung beauftragte Apotheker während der Dauer der Vert...