Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. freiwillige Versicherung. Tragung der Beiträge und Zahlungspflicht des freiwilligen Mitglieds. Rücknahme des Beitragsbescheides bei grob fahrlässigem Verhalten. Anforderungen an das Verwirkungsverhalten der Krankenkasse
Orientierungssatz
1. Nach § 250 Abs 2 SGB 5 iVm § 252 SGB 5 tragen und zahlen freiwillige Mitglieder die Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung selbst. Die Pflicht zur Beitragszahlung folgt dieser Pflicht zur Beitragstragung. Von dieser Zahlungspflicht kann sich das freiwillige Mitglied auch nicht dadurch befreien, dass es mit seinem Arbeitgeber vereinbart, dass dieser die Beiträge abführt.
2. Der Anspruch des freiwilligen Mitglieds gegen seinen Arbeitgeber auf einen Beitragszuschuss für die freiwillige Krankenversicherung nach § 257 Abs 1 S 1 SGB 5 und die soziale Pflegeversicherung nach § 61 Abs 1 S 1 SGB 11 ändert nichts an der grundsätzlichen Pflicht des freiwilligen Mitglieds zur Tragung und Zahlung der Beiträge. Der Anspruch auf Auszahlung kann nur von dem freiwilligen Mitglied geltend gemacht werden, da § 28e SGB 4, wonach der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen hat, nach § 253 SGB 5 nur für versicherungspflichtig Beschäftigte anwendbar ist. Das Risiko, das der Arbeitgeber Beiträge nicht entrichtet, trägt das freiwillige Mitglied (vgl LSG Rheinland-Pfalz vom 14.2.2005 - L 5 ER 133/04 KR = NZS 2006, 167; SG Frankfurt vom 19.7.2007 - S 18 KR 3076/04).
3. Hat der freiwillig Versicherte weder bei Aufnahme der Beschäftigung noch zu einem späteren Zeitpunkt mit seinem Arbeitgeber vereinbart, dass die Beiträge vom Arbeitgeber überwiesen werden und kreuzt er im Antrag auf Mitgliedschaft zur freiwilligen Krankenversicherung an, die Beiträge würden vom Arbeitgeber überwiesen, so stellt dies ein grob fahrlässiges Verhalten iS von § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB 10 dar.
4. An das Verwirkungsverhalten der Krankenkasse als Berechtigter sind grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen, weil dem Interesse des Beitragsschuldners, das Ausmaß der wirtschaftlichen Belastung durch Beitragsnachforderungen in angemessenen Grenzen zu halten, bereits durch die kurze Verjährungsfrist des § 25 Abs 1 SGB 4 hinreichend Rechnung getragen wird. Daher reicht das bloße "Nichtstun" als Verwirkungsverhalten regelmäßig nicht aus, es muss darüber hinaus ein konkretes Verhalten des Gläubigers hinzukommen, welches bei dem Schuldner die berechtigte Erwartung erweckt hat, dass eine Beitragsforderung nicht bestehe oder nicht geltend gemacht werde. Ein Unterlassen kann ein schutzwürdiges Vertrauen nur dann begründen und zur Verwirkung eines Rechts führen, wenn der Schuldner das Nichtstun des Gläubigers nach den Umständen als bewusst und planmäßig betrachten darf (vgl BSG vom 29.1.1997 - 5 RJ 52/94 = BSGE 80, 41 = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6 und vom 30.11.1978 - 12 RK 6/76 = BSGE 47, 194 = SozR 2200 § 1399 Nr 11; LSG Essen vom 27.3.2003 - L 16 KR 263/02; LSG Berlin vom 14.1.2004 - L 5 KR 319/01 und LSG Schleswig-Holstein vom 13.1.2006 - L 3 P 9/05).
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.05.2008 abgeändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Nachzahlung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.12.2000 bis 30.09.2005.
Der Kläger ist 1946 geboren und trägt in der Öffentlichkeit den Künstlernamen S. Er ist seit dem 01.10.2000 bei der Bundeszentrale für Q angestellt. Derzeit leitet er die Stabsstelle Kommunikation der Q. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundesmantel-Angestelltentarifvertrag und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich des Bundes jeweils geltenden Fassung.
Der Kläger war vom 01.07.1995 bis zum 30.09.2000 bei der E Krankenkasse (E) kranken- und pflegeversichert. In dieser Zeit war er in 1996, 1998, 1999 und in 2000 freiwillig versichert. Während seiner freiwilligen Versicherung wurde der Kläger sowohl als Firmenzahler, als auch - während einer Selbständigkeit - als Selbstzahler geführt.
Der Kläger beantragte bei der Beklagten zu 1) am 10.10.2000 die Mitgliedschaft zur freiwilligen Krankenversicherung. In dem von ihm ausgefüllten und unterzeichneten Antrag gab er an, er werde brutto ca. 6.400 DM verdienen. Die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung würden von seiner Arbeitgeberin zusammen mit den Pflichtbeiträgen entrichtet.
Mit Schreiben vom 18.11.2000 bat das Bundesverwaltungsamt den Kläger um eine Bescheinigung seiner Krankenkasse, aus der der Beginn der Krankenversicherung sowie die Höhe der monatlich zu zahlenden Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung ersichtlich sei, damit ihm der Arbeitgeberzuschuss angewiesen werden könne.
Mit Schreiben vom 20.11.2000 bestätigten die Beklagten die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung ab de...