2.1.3.1 Auslegung aus dem Sinn und Zweck der steuerrechtlichen Gewinnermittlung
Rz. 69
Inwieweit die in den Rz. 65 ff. genannten Bilanzierungswahlrechte auch in der Steuerbilanz gelten, kann nur durch Auslegung ermittelt werden. Dabei kommt es auf den Sinn und Zweck der Vorschriften und ihren Zusammenhang mit anderen Vorschriften an. Schließlich sind auch verfassungsrechtliche Grundsätze zu berücksichtigen.
Es entspricht dem Sinn und Zweck der steuerrechtlichen Gewinnermittlung, den vollen Gewinn zu erfassen. Daher kann es nicht im Belieben des Kaufmanns stehen, sich durch Nichtaktivierung von Wirtschaftsgütern, die handelsrechtlich aktiviert werden dürfen, oder durch Ansatz eines Passivpostens, der handelsrechtlich nicht geboten ist, ärmer zu machen, als er ist. Das stünde auch nicht im Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichheit der Besteuerung (Art. 3 GG). Besteht ein dem handelsrechtlichen Bilanzierungswahlrecht entsprechendes steuerrechtliches Wahlrecht, folgt grundsätzlich (Ausnahmen s. u.) für die Bilanzierung in der Steuerbilanz:
- Ein handelsrechtliches Aktivierungswahlrecht ergibt für die Steuerbilanz ein Aktivierungsgebot.
- Ein handelsrechtliches Passivierungswahlrecht ergibt für die Steuerbilanz ein Passivierungsverbot.
Rz. 70
Es ist aber zu beachten, dass nur aus einem Aktivierungswahlrecht für einen Vermögensgegenstand ein Aktivierungsgebot in der Steuerbilanz folgt. Den Vermögensgegenständen in der Handelsbilanz entsprechen die Wirtschaftsgüter in der Steuerbilanz. Darf also in der Handelsbilanz ein Vermögensgegenstand aktiviert werden, ist dieser in der Steuerbilanz als Wirtschaftsgut zu bilanzieren.
2.1.3.2 Aktivierungswahlrechte
Rz. 71
Damnum
Ist bei einem Schulddarlehen der Erfüllungsbetrag (Nennbetrag) höher als der Ausgabebetrag (Verfügungsbetrag), so besteht handelsrechtlich ein Wahlrecht, den Unterschiedsbetrag zwischen Erfüllungsbetrag und Ausgabebetrag zu aktivieren (im Rechnungsabgrenzungsposten, § 250 Abs. 3 HGB). Aus dem Grundsatz, dass aus einem handelsrechtlichen Aktivierungswahlrecht für die steuerliche Gewinnermittlung ein Aktivierungsgebot folgt (Rz. 69 f.), wäre in der Steuerbilanz der Unterschiedsbetrag als Damnum zu aktivieren. Gem. § 250 Abs. 3 Satz 2 HGB ist dann der Unterschiedsbetrag durch planmäßige jährliche Abschreibungen zu tilgen, die auf die gesamte Laufzeit der Verbindlichkeit verteilt werden können.
Rz. 72
Steuerlich ist jedoch der Unterschiedsbetrag als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten anzusetzen (§ 250 Abs. 1 HGB, § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG) und über die Darlehenslaufzeit, bei Zinsfestschreibung auf den kürzeren Zeitraum der Zinsfestschreibung, gewinnmindernd aufzulösen.
Rz. 73
Selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens
Immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens dürfen steuerlich nur dann aktiviert werden, wenn sie entgeltlich erworben worden sind. Dann besteht für sie ein Aktivierungsgebot (§ 5 Abs. 2 EStG). Für selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens besteht daher in der steuerlichen Gewinnermittlung ein Aktivierungsverbot.
Aus dem handelsrechtlichen Aktivierungswahlrecht für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (§ 248 Abs. 2 Satz 1 HGB; Rz. 65 f.) ergibt sich daher keine Folge für die steuerliche Gewinnermittlung, es besteht ein ausdrückliches steuerrechtliches Aktivierungsverbot.
Rz. 74
Rechnungsabgrenzungsposten für Zölle, Verbrauchsteuern und Umsatzsteuer
Gemäß § 5 Abs. 5 Satz 2 EStG sind auf der Aktivseite als Aufwand berücksichtigte Zölle und Verbrauchsteuern, soweit sie auf am Abschlussstichtag auszuweisende Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens entfallen (Nr. 1), und als Aufwand berücksichtigte Umsatzsteuer auf am Abschlussstichtag auszuweisende Anzahlungen (Nr. 2) anzusetzen. Steuerrechtlich bestehen hierfür also Aktivierungsgebote (§ 5 Abs. 5 Satz 2 EStG). Die Aufhebung von § 250 Abs. 1 Satz 2 HGB a. F. durch das BilMoG hat daher keine Auswirkung auf die steuerliche Gewinnermittlung. Das Wahlrecht, die Posten in der Handelsbilanz beizubehalten (Art. 67 Abs. 3 EGHGB), hat nur Bedeutung für die Handelsbilanz.
Rz. 75
Entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert
Der Unterschiedsbetrag, um den die für die Übernahme eines Unternehmens bewirkte Gegenleistung den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände des Unternehmens abzüglich der Schulden im Zeitpunkt der Übernahme übersteigt (entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert), gilt nach § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB als zeitlich begrenzt nutzbarer Vermögensgegenstand.
Steuerrechtlich ist der entgeltlich erworbene Geschäfts- oder Firmenwert als immaterielles Wirtschaftsgut des Anlagevermögens zu aktivieren (§ 5 Abs. 2 EStG).