Holocaustleugnende Aussagen eines Mitarbeiters
Im Januar 2020 entschied das LAG Berlin-Brandenburg einen Fall, der holocaustleugnende Aussagen eines ranghohen Vertriebsmitarbeiters bei einem Abendessen mit potenziellen Kunden im Rahmen eines Kongresses betraf. Die Aufgabe des Arbeitnehmers bestand darin, Kundenbeziehungen aufzubauen und zu pflegen. Konkret äußerte der Arbeitnehmer Zweifel daran, dass der Holocaust tatsächlich stattgefunden habe. Die Zweifel begründete er unter anderem mit der Behauptung, den "Kugelschreiber", mit dem Anne Frank ihr Tagebuch schrieb, habe es seinerzeit noch nicht gegeben. Einer der anwesenden potenziellen Kunden fühlte sich von diesen Aussagen stark betroffen. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis zum Arbeitnehmer außerordentlich und fristlos. Die Kündigungsschutzklage wies das LAG Berlin-Brandenburg ab. Zur Begründung führte es aus, dass die Äußerungen eine erhebliche Pflichtverletzung seien, die an sich einen wichtigen Grund zur Kündigung bilden gem. § 626 Abs. 1 BGB. Der Arbeitnehmer habe seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers verletzt, indem er gegenüber potenziellen Kunden nationalsozialistische Verbrechen infrage stellte bzw. verharmloste. Dies gelte unabhängig davon, ob die Äußerungen von der Meinungsfreiheit gedeckt wären. Äußerungen, die ohne Weiteres geeignet sind, Kunden abzuschrecken, seien mit der Aufgabe, Kundenbeziehungen zu pflegen, nicht vereinbar.
Je weniger Meinungsäußerungen auf den Arbeitgeber "zurückfallen" können, desto weniger muss der Arbeitnehmer sich in der Äußerung seiner Meinung zügeln.
Das bedeutet beispielsweise, dass eine freie Äußerung im engen Familien- oder Freundeskreis dann tendenziell unkritischer ist, wenn die Beteiligten nicht vertraglich mit dem Arbeitgeber verbunden sind und sie die Meinung auch nicht weiterverbreiten. Zu erwarten, dass die geäußerte Meinung vertraulich ist und bleibt und daher nicht an den Arbeitgeber gelangt, ist im Bereich der Privatsphäre gerechtfertigt. Der Einzelne hat ein Recht auf die autonome Ausgestaltung des Privatlebens und muss daher nicht ständig damit rechnen, dass das, was er sagt, zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führt. Insofern kann es selbst für Beleidigungen einen rechtlich geschützten Raum geben, in welchem sie der Einzelne folgenfrei äußern darf. Können Dritte die Äußerung nicht wahrnehmen, gibt es auch kein schützenswertes Interesse des Arbeitgebers daran, dass der Arbeitnehmer sich der Äußerung seiner Meinung enthält.