Rz. 16

Die Ausübung des Ermessens durch den StB ist durch die von der StBVV in § 11 vorgegebenen Umstände vorgeprägt: Diese Umstände sind vorrangig zu berücksichtigen, auch wenn sich aus der Reihenfolge der Aufzählung keine Rangfolge ergibt.

 

Rz. 17

Darüber hinaus kann aber der StB weitere, für die Ermessensabwägung wichtige Umstände heranziehen. Die StBVV fordert gerade die Berücksichtigung aller für die Bewertung der erbrachten Leistung maßgebenden Umstände. Allerdings darf dabei nicht einseitig von der Interessenlage des StB ausgegangen werden. Es muss sich um eine möglichst objektive Wertung der beiderseitigen Interessenlagen von Auftraggeber und StB handeln. Hier können beispielsweise notwendig gewordene Doppelarbeiten (z. B. aufgrund nachträglich noch aufgefundener Unterlagen), die vom Auftraggeber zu vertretende Unterbrechung von Arbeiten oder unübersichtliche und verworrene Verhältnisse in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht Berücksichtigung finden. Wünscht der Auftraggeber eine Tätigkeit an Samstagen, Sonn- oder Feiertagen oder zu ungewöhnlichen Zeiten, so sind auch dieses Gesichtspunkte, die bei der Wahl des Rahmensatzes ermessensfehlerfrei Berücksichtigung finden können. Auch weitere Faktoren, z. B. eine dem Mandanten zugutekommende Kanzlei-Reputation, kommen für die Gebührenbestimmung in Betracht (LG Dortmund v. 20. 05. 2020 – 7 O 185/15, Stbg 2021, 385).

 

Rz. 18

Der Begriff des "billigen Ermessen" ist in der StBVV nicht definiert. Er ist verwandt mit dem Begriff des "pflichtgemäßen Ermessens" im allgemeinen Abgabenrecht (vgl. z. B. §§ 86, 92 AO i. V. m. § 5 AO). Der StB hat das billige Ermessen "als Begriff des bürgerlichen Vertragsrechtes unter Berücksichtigung der Interessenlage auch des Mandanten und unter Berücksichtigung des in vergleichbaren Fällen Üblichen auszuüben" (so für Gutachter BGH v. 13. 05. 1974 – VIII ZR 38/73, BGHZ 62, 314 (315 f.)). Letztlich hat sich für viele Einzelfälle durch Rechtsprechung und durch ständige Übung eine Vergleichbarkeit ergeben, die in Streitfällen zu berücksichtigen ist. Im Ergebnis wird sich das Bestimmungsrecht des StB im Laufe der Zeit immer stärker durch solche kasuistischen Vorgaben einengen.

 

Rz. 19

Die Rechtsprechung akzeptiert bei der Ausübung des Ermessens teilweise auch eine Toleranzgrenze von 20 % (OLG Düsseldorf v. 23. 01. 1997 – 13 U 239/95; LG Duisburg v. 11. 08. 1994 – 9 O 492/91, Stbg 1996, 214; LG Düsseldorf v. 04. 08. 2000 – 10 O 57/98, GI 2001, 254; LG Bielefeld v. 29. 03. 2017 – 3 O 44/12, DStR 2017, 2839), d. h. eine vom StB festgelegte Gebühr, die bis zu 20 % von der "eigentlich richtigen" Gebühr abweicht, wird als nicht gerichtlich überprüfbar und damit als noch tolerabel akzeptiert. Verlassen kann sich der StB darauf aber nicht, da nicht alle Gerichte die aus dem anwaltlichen Gebührenrecht stammende Rechtsprechung zur Toleranzgrenze auf StB übertragen (vgl. OLG Frankfurt/M. v. 05. 10. 2018 – 8 U 203/17, Stbg 2018, 521); im Streitfall wird häufig das Gericht die Ermessensausübung durch Einholen eines Sachverständigengutachtens (regelmäßig durch die StBKammer gem. § 76 Abs. 2 Nr. 7 StBerG) überprüfen. Pauschales Vorbringen des StB im Honorarprozess kann zur Unzulässigkeit der Einholung eines Gebührengutachtens führen (LG Duisburg v. 28. 06. 2007 – 7 S 247/06, DStR 2007, 2035).

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