Rz. 20
Das Anwaltsgebührenrecht hat den Begriff "Mittelgebühr" entwickelt, die dann Anwendung findet, wenn eine Angelegenheit von durchschnittlicher Bedeutung, durchschnittlichem Umfang der Tätigkeit und durchschnittlicher Schwierigkeit vorliegt und der Auftraggeber in durchschnittlichen Vermögens- und Einkommensverhältnissen lebt. Die gesetzliche Gebührenbemessung orientiert sich gerade an dem Durchschnittsfall (BGH v. 04. 07. 2002 – IX ZR 153/01, Stbg 2003, 176).
Rz. 21
Die Bezeichnung "Mittelgebühr" steht dabei für den "Mittelsatz" einer Gebühr im Rahmen der vorgegebenen Spanne. Sie errechnet sich durch Addition der Mindest- und Höchstgebühr geteilt durch zwei.
Rz. 22
Die StBVV kennt den Begriff der "Mittelgebühr" nicht. Nach der StBVV ist jeder Einzelfall individuell nach Maßgabe aller Umstände des § 11 zu bewerten. In ständiger – jetzt wieder aufgegebener – Rechtsprechung hatte das OLG Hamm entschieden, dass jeder oberhalb der Mindestgebühr liegende Ansatz vom StB als Bestimmungsberechtigten i. S. v. § 315 BGB darzulegen und notfalls zu beweisen sei (OLG Hamm v. 19. 08. 1998 – 25 U 42/98, GI 1998, 301; so ebenfalls in ständiger Rechtsprechung – in Abkehr von seiner ursprünglichen Rechtsauffassung – OLG Düsseldorf v. 08. 04. 2005 – 23 U 190/04, NJW RR 2005, 1152).
Das OLG Hamm hat nunmehr entschieden, dass soweit keine Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass die in Rechnung gestellte Leistung nur unterdurchschnittlich schwierig war, der StB die Mittelgebühr verlangen kann, ohne seine Bestimmungsgrundlagen näher darzulegen (OLG Hamm v. 26. 11. 2013 – 25 U 5/13, DStR 2014, 2151). Andere Obergerichte (OLG Frankfurt/M. vom 05. 10. 2018 – 8 U 203/17, Stbg 2018, 521; OLG Düsseldorf v. 11. 09. 2018 – 23 U 155/17) und die meisten Instanzgerichte sind dem gefolgt, so dass dies (wieder) die herrschende Meinung darstellt. Ein Mandant, der eine niedrigere Gebühr als die Mittelgebühr für angemessen erachtet, muss die Umstände darlegen und beweisen, die zu einer Herabsetzung der vom StB festgesetzten Gebühr führen (OLG Hamm v. 26. 11. 2013 – 25 U 5/13, DStR 2014, 2151; so bereits früher auch OLG Düsseldorf v. 30. 04. 1986 – 18 U 15/86, StB 1986, 160; OLG Düsseldorf v. 31. 10. 1990 – 18 U 133/90, GI 1991, 66). Oberhalb der Mittelgebühr bis zur Höchstgebühr hingegen hat der StB die Berechtigung dieses höheren Ansatzes darzulegen und ggf. zu beweisen (OLG Hamm v. 26. 11. 2013 – 25 U 5/13, DStR 2014, 2151; OLG Köln v. 26. 08. 1994 – 19 U 246/93, GI 1995, 78; OLG Frankfurt/M. vom 05. 10. 2018 – 8 U 203/17, Stbg 2018, 521). Im Gebührenprozess muss der StB sodann ggf. auch beweisen, dass Umstände für die Angemessenheit dieser höheren Gebühr vorliegen (OLG Düsseldorf v. 19. 08. 1993 – 13 U 273/92, GI 1994, 133). Handelt es sich um eine Angelegenheit von durchschnittlicher Bedeutung mit durchschnittlichem Umfang/Schwierigkeitsgrad, ist regelmäßig die Mittelgebühr gerechtfertigt (BGH v. 06. 07. 2000 – IX ZR 210/99, DStR 2000, 1785; OLG Düsseldorf v. 08. 04. 2005 – 23 U 190/04, NJW RR 2005, 1152).
Rz. 23
Es empfiehlt sich zur Bestimmung des zutreffenden Rahmensatzes, eine Unterteilung des jeweiligen Rahmens in die Mindest-, Mittel- und Höchstgebühr vorzunehmen, um sodann die genannten Umstände zu gewichten. Nach der Gewichtung vor allem anhand des Umfanges der beruflichen Tätigkeit und der Schwierigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit, der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers sowie ggf. eines Haftungsrisikos (vgl. Rz. 7–10) erfolgt eine Zuordnung der einzelnen Bewertungen zu den genannten Untergruppen zur Bestimmung eines zutreffenden Rahmensatzes.
Rz. 24
Im Ergebnis stellt sich die Mittelgebühr als praktikable und brauchbare Gebührenbestimmung im "Durchschnittsfall" dar; sie darf allerdings nicht kritiklos zugrunde gelegt werden. Gerechtfertigt ist sie dann, wenn bei allen denkbaren Tätigkeiten des StB die konkrete Angelegenheit eine "durchschnittliche" Bedeutung hat. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist es nachvollziehbar, dass ein Großteil der Rechtsprechung die Mittelgebühr regelmäßig akzeptiert.