Rz. 10
Ist eine unangemessen hohe Vergütung unter Einhaltung der Formvorgaben gem. § 4 Abs. 1 wirksam vereinbart worden, bleibt diese zunächst rechtswirksam, soweit keine Sittenwidrigkeit vorliegt (Rz. 11). In einem Rechtsstreit kann durch eine richterliche Entscheidung eine so vereinbarte Vergütung gem. § 4 Abs. 2 auf einen angemessenen Betrag herabgesetzt werden. Eine Herabsetzung kommt nur dann in Betracht, wenn das Honorar i. S. v. § 4 Abs. 2 unangemessen hoch ist, also dass es unter Berücksichtigung aller Umstände unerträglich und mit den Grundsätzen des § 242 BGB unvereinbar wäre, den Mandanten an seinem Honorarversprechen festzuhalten. Es muss ein krasses, evidentes Missverhältnis zwischen Leistung und Vergütung vorhanden sein. (BGH v. 04. 02. 2010 – IX ZR 18/09, AnwBl. 2010, 362 (370) m. w. N.; BGH v. 21. 10. 2010 – IX Z 37/10, NJW 2011, 63). Der angemessene Betrag kann durchaus deutlich höher sein als die sich nach der StBVV ergebende Vergütung. Diese darf das Gericht jedoch nicht unterschreiten. Dabei obliegt dem Mandanten die Darlegungslast für die Unangemessenheit. Aus dem Überschreiten des fünffachen Satzes der gesetzlichen Gebühren wird die Vermutung der Unangemessenheit eines Strafverteidigerhonorars hergeleitet. Diese Vermutung kann durch die Darlegung des Beraters entkräftet werden, dass die vereinbarte Vergütung im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände angemessen ist. (BGH v. 04. 02. 2010 – IX ZR 18/09, AnwBl. 2010, 362 f.). Diese Rechtsprechung ist auf Vergütungsvereinbarungen der StB übertragbar. Jeder Einzelfall, in dem ein Vielfaches der gesetzlichen Gebühr vereinbart wird, ist dabei gesondert zu betrachten.
Rz. 11
Eine gem. § 138 BGB sittenwidrige Vergütungsvereinbarung ist nichtig, so dass sich der Vergütungsanspruch nach der StBVV richtet.
Rz. 12
Die Vereinbarung einer Zeittaktklausel ist im Grunde zulässig. Im Rechtsverkehr mit Verbrauchern ist die Abrechnung je angefangene 15 Minuten wegen unangemessener Benachteiligung jedoch gemäß § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (BGH v. 13. 02. 2020 – IX ZR 140/19, Stbg 2020, 236). Im unternehmerischen Rechtsverkehr ist die Wirksamkeit der 15-Minuten-Zeittaktklausel umstritten (Für eine Unwirksamkeit: OLG Düsseldorf v. 18. 02. 2010 – I-24 U 183/05, AnwBl. 2010, 296; a. A. OLG Schleswig-Holstein v. 19. 02. 2009 – 11 U 151/07, AnwBl. 2009, 554). Für wirksam gehalten im Rechtsverkehr mit Verbrauchern (und Unternehmen) wird eine 6-Minuten-Zeittaktklausel (OLG München v. 15. 06. 2019 – 15 U 319/18, DStR 2019 S. 1711; Schons, AnwBl 2019, 491). Stets möglich ist eine minutengenaue Abrechnung. Nach festgestellter Unwirksamkeit einer Zeittaktklausel kann der StB trotzdem nach dem vereinbarten Stundenhonorar minutengenau abrechnen.
Rz. 13
Entsteht Streit mit dem Mandanten darüber, ob eine vereinbarte höhere Vergütung unangemessen sei, sollte die StBKammer um Beratung und Vermittlung gebeten werden (vgl. § 76 Abs. 2 Nr. 1 und 3 StBerG). Sie kann die angemessene Vergütung zwar nicht selbst herabsetzen, sondern sich nur gutachtlich äußern (ausführlich: E I – Rz. 58). Eine Mitwirkung der StBKammer im gerichtlichen Verfahren ist nicht zwingend vorgeschrieben; das Gericht kann jedoch nach seinem Ermessen oder auf Antrag ein Gutachten der Kammer anfordern (§ 76 Abs. 2 Nr. 7 StBerG). Der StB sollte ggf. durch Beweisantrag darauf hinwirken (vgl. E I – Rz. 61).
Rz. 14
Wegen des möglichen Rechtsstreits über die Unangemessenheit einer vereinbarten höheren Vergütung ist es zweckmäßig, dass der StB in diesen Fällen Aufzeichnungen über die geleisteten Tätigkeiten und deren Zeitaufwand führt, um ggf. zur Angemessenheit der Vergütung substantiiert Stellung nehmen zu können (vgl. hierzu auch E I – Rz. 61 a. E.).