Leitsatz
Es stellt einen Gestaltungsmissbrauch i.S.v. § 42 AO dar, wenn ein im Zusammenhang mit einer Grundstücksübertragung eingeräumtes, unentgeltliches Wohnungsrecht gegen Vereinbarung einer dauernden Last aufgehoben und gleichzeitig ein Mietverhältnis mit einem Mietzins in Höhe der dauernden Last vereinbart wird.
Normenkette
§ 9 EStG , § 21 EStG , § 42 AO
Sachverhalt
Der Kläger erhielt von seiner Mutter ein bebautes Grundstück, an dem zu ihren Gunsten ein Wohnungsrecht eingetragen wurde. Mit notariellem Vertrag verzichtete die Mutter rückwirkend auf den 1.1.1984 auf das Wohnungsrecht; der Kläger verpflichtete sich, ihr anstelle des Wohnungsrechts ab diesem Zeitpunkt monatlich 400 DM zu zahlen. Gleichzeitig schlossen beide mit Wirkung ab dem 1.1.1984 einen Mietvertrag mit einer monatlichen Kaltmiete von 400 DM.
Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger für das teils an die Mutter, teils an Fremde vermietete Haus Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung sowie bei den Sonderausgaben den an die Mutter gezahlten Betrag von 4.800 DM als dauernde Last geltend.
Das FA und das FG berücksichtigten weder den Werbungskostenüberschuss aus Vermietung und Verpachtung noch die dauernde Last wegen Gestaltungsmissbrauchs. Dagegen richtet sich die Revision der Kläger.
Entscheidung
Der BFH hat einen Gestaltungsmissbrauch bejaht: ein außersteuerlicher Grund für das streitige Vertragsgeflecht liege nicht vor, weil das dingliche Wohnungsrecht nicht abgelöst werden müsse, um das wohnrechtsbelastete Grundstück an den Wohnrechtsberechtigten zu vermieten. Denn schon der Abschluss eines Mietvertrags über eine vorher unentgeltlich überlassene Wohnung hebe die – nur schuldrechtlich neben dem dinglichen Wohnungsrecht zu treffende – Vereinbarung (über die Unentgeltlichkeit) konkludent auf und lasse den Bestand des Wohnungsrechts im Übrigen unberührt, ohne dass dadurch die Wirksamkeit des Mietvertrags berührt werde.
Hinweis
Gestaltungsmissbrauch liegt nicht schon deshalb vor, weil das vermietete Objekt vor der Vermietung vom jetzigen Mieter auf den Vermieter übertragen wurde und der Mieter in diesem Zusammenhang auf ein bei der Grundstückseintragung zu seinen Gunsten eingeräumtes Wohnungsrecht an dem Vermietungsobjekt – unentgeltlich – verzichtet (vgl. dazu BFH, Urteil vom 17.12.2003, IX R 60/98, BFH-PR 2004, 222 in diesem Heft). Er wird aber dann bejaht, wenn die Parteien der Grundstücksübertragung durch gegenläufige Rechtsgeschäfte auf der Nutzungsebene erreichen, dass es nach der wirtschaftlichen Substanz der Vereinbarungen nicht zu einer entgeltlichen Nutzung des Übertragenden kommt.
So verhält es sich, wenn der Abschluss eines Mietvertrags mit der entgeltlichen Aufgabe des unentgeltlichen Wohnungsrechts verbunden wird und dieses Vertragsgeflecht den Verzichtenden im Ergebnis so stellt, wie er stünde, wenn die vertraglichen Vereinbarungen auf der Nutzungsebene nicht abgeschlossen worden wären und er unverändert sein unentgeltliches Nutzungsrecht ausüben würde. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn – wie im Streitfall – für den Verzicht auf das unentgeltliche Wohnungsrecht eine monatliche Zahlung als dauernde Last vereinbart wird und gleichzeitig ein Mietvertrag mit einer Miete in derselben Höhe abgeschlossen wird.
Beide Rechtsgeschäfte führen zu einem Ausgleich der Zahlungspflichten, ohne je für sich eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zu haben. Die Vereinbarungen sollen folglich allein die Abziehbarkeit von Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ermöglichen, ohne dass tatsächlich Einnahmen durch die Überlassung des Grundstücks erzielt werden. Bei einer solchen Sachlage liegt ein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO vor.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 17.12.2003, IX R 56/03