Sachverhalt
Bei dem Vorabentscheidungsersuchen ging es um die Frage, ob die spanischen Bestimmungen über die Anwendung einer Mindestbemessungsgrundlage für Umsätze zwischen verbundenen Personen, die auf die Tatbestände der Art. 5 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie zurückgreift, mit der 6. EG-Richtlinie vereinbar sind.
Nach spanischem Recht für das Streitjahr 1993 darf die Besteuerungsgrundlage bei Umsätzen zwischen verbundenen Personen, die zu einem Entgelt unter dem normalen Marktpreis ausgeführt werden, nicht niedriger sein als die Besteuerungsgrundlage für Entnahmen von Gegenständen i.S.v. Art. 5 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie (= Art. 16 MwStSystRL) bzw. für die außerunternehmerische Verwendung von Dienstleistungen i.S.v. Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie (= Art. 26 MwStSystRL).
Mit der Entscheidung 2006/387/EG des Rates v. 15.5.2006 (ABl. EU Nr. L 150/11) war Spanien im Verfahren nach Art. 27Art. 1 bis 4 der 6. EG-Richtlinie ermächtigt worden, eine von Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a Richtlinie abweichende Sondermaßnahme einzuführen. So konnte Spanien festlegen, dass die Bemessungsgrundlage bei Lieferungen, Dienstleistungen und bei innergemeinschaftlichen Erwerben der Normalwert nach der Definition in Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. d der 6. EG-Richtlinie ist, wenn die Gegenleistung deutlich niedriger ist als der Normalwert der Leistung und der Leistungsempfänger nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Art. 11 Teil A der 6. EG-Richtlinie wurde im gleichen Jahr durch die Richtlinie 2006/69/EG des Rates v. 24.7.2006 (ABl. EU 2006 Nr. L 221/9) geändert. In Art. 11 Teil A der 6. EG-Sechsten Richtlinie wurde ein neuer Absatz 6 eingefügt, wonach die Mitgliedstaaten zur Vorbeugung gegen Steuerhinterziehung oder -umgehung Maßnahmen treffen können, dass die Besteuerungsgrundlage bei Lieferungen oder bei Dienstleistungen der Normalwert ist, wenn die Gegenleistung, je nach den Umständen, höher oder niedriger als dieser Normalwert ist und wenn eine Bindung zwischen den Parteien des Umsatzes besteht. Mit Inkrafttreten der Richtlinie 2006/69 lief die Spanien nach der Ratsentscheidung 2006/387 erteilte Ermächtigung ab. Die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, bei Umsätzen zwischen verbundenen Parteien den Normalwert als Bemessungsgrundlage anzusehen, ist zurzeit in Art. 80 MwStSystRL geregelt.
Am 31.12.1993 veräußerte die Klägerin mehrere Tankstellen an eine R SA für einen Betrag von rd. 1,8 Mrd ESP. Im Ausgangsverfahren war unstreitig, dass es sich dabei um einen Umsatz zwischen verbundenen Parteien i.S. von Art. 79 Abs. 5 des spanischen MwStG handelte. Die spanische Finanzbehörde erhöhte im Dezember 1998 die Bemessungsgrundlage für den Verkauf entsprechend der Bemessungsgrundlage für unentgeltliche Wertabgaben auf rd. 4 Mrd ESP. Das Vorlagegericht hatte Zweifel, ob die dafür angewendete spanische Regelung eine Grundlage in der 6. EG-Richtlinie hat. Für das Streitjahr sei - da für den Verkauf der Tankstellen ein Entgelt geflossen war - ggf. die allgemeine Regel in Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der 6.EG-Richtlinie auch für Umsätze zwischen verbundenen Parteien anzuwenden gewesen. Spanien habe die Ratsermächtigung erst nach dem im Jahr 1998 ergangenen Steuerbescheid erhalten.
Entscheidung
Der EuGH hat die Zweifel des Vorlagegerichts an der Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheids im Jahr 1998 bestätigt. Spanien hatte gemeinschaftsrechtlich keine Grundlage, seinerzeit bereits Umsätze zwischen verbundenen Personen zum Normalwert zu besteuern.
Nach der Entscheidung können die in Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. b bis d der 6. EG-Richtlinie enthaltenen Regelungen zur Bestimmung der Besteuerungsgrundlage bereits nach dem Wortlaut der Art. 5 Abs. 6 und 7 sowie 6 Abs. 2 und 3 der Richtlinie, nur auf unentgeltliche Umsätze angewendet werden. Daher ist ein Umsatz, wenn eine Gegenleistung vereinbart und tatsächlich in unmittelbarem Austausch gegen eine Lieferung oder eine Dienstleistung erbracht worden ist, als entgeltlicher Umsatz zu betrachten, auch wenn er zwischen verbundenen Personen getätigt wird und der vereinbarte und tatsächlich gezahlte Preis erkennbar unter dem normalen Marktpreis liegt. Die Besteuerungsgrundlage für einen solchen Umsatz ist daher nach der allgemeinen Regel in Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie (= Art. 73 MwStSystRL) zu bestimmen.
Da nach dem EuGH-Urteil die Regelung in Art. 79 Abs. 5 des spanischen MwStG zu keiner Zeit Gegenstand eines Ratsermächtigungsverfahrens nach Art. 27 Abs. 1 bis 4 der 6. EG-Richtlinie und als Sondermaßnahme der EU-Kommission auch nicht nach Art. 27 Abs. 5 der Richtlinie mitgeteilt worden war, hatte die spanische Regelung keine EU-rechtliche Grundlage. Spanien durfte somit die Bemessungsgrundlage im Streitfall nicht über das gezahlte Entgelt hinaus erhöhen.
Hinweis
Das Urteil hat keine Auswirkungen auf das deutsche Umsatzsteuerrecht. Die deutsche Regelung der Mindestbemessungsgrundlage in § 10 Abs. 5 UStG beruht gerade auf einer Ermächtigung des Rates i.S.v. ...