Leitsatz
1. Wird ein Gewinnabführungsvertrag auf die gesetzliche Mindestlaufzeit von fünf Zeitjahren nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG abgeschlossen, scheitert die steuerrechtliche Anerkennung der Organschaft weder daran, dass der Vertrag aus wichtigem Grund kündbar ist, noch daran, dass die Organgesellschaft nachfolgend ihr Wirtschaftsjahr umstellt und den Gesamtzeitraum von fünf Zeitjahren durch Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres verkürzt (Abgrenzung zum Senatsurteil BFH vom 12.1.2011, I R 3/10, BStBl II 2011, 727, BFH/NV 2011, 928, BFH/PR 2011, 224).
2. Wird der Gewinnabführungsvertrag vorzeitig aufgehoben, weil er aus Sicht der Parteien seinen Zweck der Konzernverlustverrechnung erfüllt hat, liegt kein unschädlicher wichtiger Kündigungsgrund i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG vor.
Normenkette
§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sätze 1 und 2 KStG 2002
Sachverhalt
Die W KG war seit dem 1.4.2005 alleinige Gesellschafterin der Klägerin, einer GmbH. Am 12.5.2005 schlossen beide Gesellschaften einen Gewinnabführungsvertrag (GAV). Jener wurde "auf die Dauer von 5 Jahren abgeschlossen"; weiter heißt es: "Dieser Vertrag findet erstmals Anwendung auf das Geschäftsjahr der … (Klägerin), welches am 1.7.2005 beginnt und am 30.6.2006 enden wird." Der Vertrag war nur aus wichtigem Grund kündbar; ein solcher sollte auch bei einer Veräußerung der Anteile an der Klägerin vorliegen.
Am 25.11.2005 beantragte die Klägerin eine Umstellung des Wirtschaftsjahres auf den Zeitraum vom 1.4. bis zum 31.12. und eine entsprechende Verkürzung des laufenden Wirtschaftsjahres (bisher: 1.7.2005 bis 30.6.2006) bis zum 31.3.2006. Das FA stimmte dem zu.
Am 6.3.2007 hoben die Klägerin und die W KG den Gewinnabführungsvertrag einvernehmlich mit Wirkung zum 31.3.2007 auf. Anschließend veräußerte die W KG ihre Geschäftsanteile an der Klägerin mit Vertrag vom 28.3.2007 an die Holding-GmbH, die Obergesellschaft des deutschen Teilkonzerns, dem auch die Klägerin und die W KG zugehörten. Die Holding-GmbH erzielte im Wesentlichen Einkünfte aus Gewinnabführungsverträgen mit den operativ tätigen Tochtergesellschaften sowie aus den Zinsen des von ihr für die deutschen Tochtergesellschaften geführten sog. Cash-pools.
Die Muttergesellschaft des Konzerns hatte ihren Sitz in Großbritannien. Sie ist über eine niederländische Holding an der deutschen Holding-GmbH beteiligt. Die Umstrukturierung erfolgte, um eine anderenfalls drohende Anwendung der Regeln zu den "controlled foreign companies" (CFC-rules) bei der Besteuerung der Konzernmuttergesellschaft in Großbritannien zu vermeiden.
Für das Streitjahr ermittelte die Klägerin auf der Grundlage ihres für den Zeitraum vom 1.7.2005 bis 31.3.2006 erstellten Jahresabschlusses einen Jahresüberschuss von 0 EUR, einen Betrag von rd. ./. 524.000 EUR zur Anpassung der Handelsbilanz an die steuerlich maßgeblichen Wertansätze, eine Gewinnabführung i.H.v. rd. 1.533.000 EUR und ein Einkommen der Organgesellschaft vor Einkommenszurechnung i.H.v. rd. 1.009.000 EUR.
Das FA erkannte die Organschaft im Ergebnis nicht an. Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos (Niedersächsisches FG, Urteil vom 10.5.2012, 6 K 140/10, Haufe-Index 3139716, EFG 2012, 1591).
Entscheidung
Das Verfahrensglück blieb der Klägerin auch vor dem BFH Abhold: Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Der Ergebnisabführungsvertrag sei vorzeitig innerhalb seiner fünfjährigen Mindestlaufzeit beendet worden. Der Kündigungsgrund könne nicht als ein "unschädlicher" i.S.d. Gesetzes angesehen werden, sodass die Organschaft steuerlich verunglücke.
Hinweis
Das Urteil beschäftigt sich mit der gesetzlich eingeforderten Mindestlaufzeit eines organschaftlichen Ergebnisabführungsvertrages über die Dauer von fünf Jahren. Es ist insofern vor allem, was die Gründe des 2. Leitsatzes anbelangt, höchst praxisbedeutsam:
1.Der Ergebnisabführungsvertrag muss auf eine Mindestlaufzeit von fünf Jahren abgeschlossen werden. Das ergibt sich unbedingt und vorbehaltlos aus § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 KStG. Es gilt, steuerliche "Beständigkeit" zu zeigen. Das Steuersubjekt soll nicht beliebig je nach Gewinn- oder Verlustsituation bei der Organgesellschaft oder dem Organträger wechseln. Manipulationen soll vorgebeugt werden.
2. Eine vorzeitige Vertragsbeendigung ist allerdings unschädlich, wenn ein "wichtiger Grund" die Kündigung rechtfertigt. Das ergibt sich aus § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 KStG und darum ging es im Urteilsfall.
Der BFH stellt dazu klar: Ein Ergebnisabführungsvertrag ist zunächst einmal ein zivilrechtlicher Vertrag. Und das Zivilrecht kennt in langjähriger Rechtsentwicklung einschlägige "wichtige Gründe", die die Beendigung eines Gesellschaftsvertrages erlauben.
§ 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 KStG ist aber ein Steuergesetz, das den zivilrechtlichen Vorgaben, sich von dem Vertrag vorzeitig lösen zu können, nur bedingt und im Lichte seines Sinns und Zwecks folgt. Dementsprechend genügt es für die Annahme eines wichtigen Kündigungsgrundes nicht, wenn der Gewinnabführungsvertrag vor...