Zusammenfassung
Ohne eingefahrene Prozesse keine funktionierende Kanzlei – und mit ihnen keine Veränderung. Ein Dilemma für viele Steuerberater. Den Partnern dieser mittelständischen Kanzlei gelang es, alte Denkmuster abzulegen und die Tür zur Veränderung aufzustoßen. Ein Vorgeschmack war alles, was dazu nötig war.
Ausgangslage: Wunsch nach Agilität in der Kanzleistruktur
Rund 50 Mitarbeiter und eine Handvoll Partner – mehr soll hier nicht über die Kanzlei verraten werden, die mit den Haufe Innovationsmanagern zusammengearbeitet hat. Nur so viel: Die Partner kannten ihren Startpunkt. Sie kannten ihr Ziel. Und sie wussten, so kann es nicht weitergehen. In einer Welt, die sich schneller dreht, kann eine starre Organisation immer schlechter mithalten. Aber wie sie vom Start zum Ziel kommen sollten, das wussten die Partner nicht.
Der Startpunkt war eine Kanzlei mit etablierten Abläufen und einer hierarchischen Führungskultur. Wie in jeder Kanzlei gaben Termine den Takt vor und am Ende musste das Ergebnis stimmen – fachlich wie finanziell. Das Ziel war Agilität in der Kanzleikultur, also die Fähigkeit, flexibel und vorausschauend zu agieren und so notwendige Veränderung herbeizuführen, anstatt von ihr überfordert zu werden.
Der unbekannte Weg zum Ziel heizte auch Befürchtungen an. Sicher steckt dieser Weg voller Gefahren? Ist das Ziel überhaupt erreichbar? Ist es dort besser als hier? Gerade angesichts der erkannten Herausforderung und des ungewissen Ausgangs, bot die etablierte Hierarchie eine vertraute Struktur, von der weder Führungskräfte noch Sachbearbeiter lassen wollten. Spielraum für Veränderung oder Experimente schien nicht zu existieren. Veränderungsdruck gab es reichlich, Veränderungswille war rar.
Agile Prozesse: Gesellschaftsspiele mit beruflichem Hintergrund
Genau für solche Ausgangssituationen werden weltweit strukturierte Prozesse erfunden, die bei der Einführung neuer Arbeitsweise helfen sollen. Wie in einem Gesellschaftsspiel müssen die Teilnehmer dabei nach vorgegebenen Spielregeln ein Problem lösen und werden so spielerisch auf neue Wege geleitet.
Sprint und Sprinty
Die Haufe-Innovationsmanager haben mit der Partnerriege zwei solche Prozesse ausgewählt: den Design-Sprint und den Sprinty, eine Haufe-eigene Weiterentwicklung davon.
Der Design-Sprint ist ein viertägiges Programm zur Lösung von Problemen. In einem Rahmen aus vorgegebener Zeit und Methoden werden dabei die essentiellen Stationen einer Produkt- oder Prozessentwicklung bzw. Weiterentwicklung durchlaufen. Der Sprinty nimmt ausgewählte Elemente des Design Sprints, damit mit dieser Methodik auch kleinere Herausforderungen bearbeitet werden können.
Implementierung
Selbstverständlich wäre es möglich gewesen, keinen Stein auf dem anderen zu lassen und der Kanzlei eine komplette, agile Neustrukturierung zu verordnen. Doch das Ergebnis wäre nicht nachhaltig gewesen, sondern zum Scheitern verurteilt.
Zitat
Damit die Mitarbeiter die Veränderung auch im Alltag tragen, muss ihnen Zeit zur Gewöhnung und das Wort gegeben werden.
Damit die Mitarbeiter die Veränderung auch im Alltag tragen, muss ihnen Zeit zur Gewöhnung und das Wort gegeben werden. Sie müssen persönlich erfahren können, dass die Gefahren des Weges beherrschbar und das Ziel erstrebenswert ist. Die Partner der Kanzlei haben sich daher zu einem experimentellen Herangehen entschieden:
Agilität zum Ausprobieren
Design-Sprint für Freiwillige, Sprintys für alle. Eine sechsköpfige Gruppe aus Angestellten war so neugierig und hat sich zur Teilnahme am Design-Sprint bereit erklärt. Ein Wert übrigens, der sich im Innovations- und Change-Management immer wieder bestätigt: Rund fünfzehn Prozent der Belegschaft sind so offen und motiviert für solche Neuerungen, dass sie von sich aus vorangehen.
Damit aber auch die restliche Belegschaft für agile Arbeitsweisen erwärmt werden konnte, wurden mehrere Sprintys mit dem gesamten Team durchgespielt. Für diese zeitlich sehr knappen Sprintys wurden kleinere Alltagsprobleme ausgewählt, wie sie in jeder Steuerberatungskanzlei auftreten können. Das Problem wird gemeinsam analysiert. Anschließend schreiben die Teilnehmer ihre Lösungsvorschläge auf Karten. Mit Abstimmungspunkten wird die beste Lösung gewählt. Analyse, Ideensammlung, Abstimmung statt Diskussion – und alles innerhalb einer Stunde.
Konkrete Folgen
Der zeitliche Druck ist gewollt, weil er verhindert, was viele Lösungswege in Sackgassen verwandelt: endlose Diskussionen.
Die Arbeitsform des Sprintys war für die Kanzleibelegschaft eine ungewohnte Herangehensweise. Es gab viel Engagement zu sehen, aber auch Schwierigkeiten, die Lösungsansätze in wenigen Worten auf den Karten zu formulieren. Auch das Vergeben der Punkte lief nicht so schnell wie es eigentlich könnte. Die Einen haderten mit der Qual der Wahl, die Anderen mit den möglichen Konsequenzen ihrer Wahl: Was passiert, wenn wir tatsächlich diesen Lösungsweg gehen? Was passiert, wenn ich nicht für den Lösungsweg meines Vorgesetzten stimme? Und wieder andere mussten mit der Enttäuschung umgehen lernen, dass ihr Vorschlag keine Mehrheit fand.
Der Reiz des Sprintys liegt in seiner zeitlichen Begrenzung. Er konzentriert die Sich...