Jede Kanzlei, die den Weg durch die Digitalisierung bis heute gegangen ist, hat das eigene Angebotsprofil geschärft – durch eine kontinuierliche, aber konsequente Anpassung (weiter verbreitet) oder ein planvolles Anstreben einer zuvor entwickelten Vision (weniger verbreitet). Während "vor der Digitalisierung" der "Gemischtwarenladen" noch das gängige und plausible Geschäftsmodell war, sind Kanzleien durch die eigene digitale Transformation viel fokussierter in ihrem Angebot. Dabei zeigt sich insgesamt eine erfreuliche und bunte Vielfalt an Wegen, die Kanzleien gehen – ganz nach dem Motto "Jeder nach seiner Façon".

  • Mandanten den Rücken freihalten – jetzt erst recht: Mehr denn je gilt es, Mandanten zu ermöglichen, sich auf ihre eigenen unternehmerischen Kernaufgaben zu fokussieren. Ihnen den Rücken freizuhalten heißt heute auch insbesondere, Fragen der Digitalisierung von Rechnungswesen- und Steuerdeklarationsprozessen – inklusive Aspekte verstärkter Betriebsprüfungstätigkeiten und GoBD – abzunehmen. Sprich: Es wird mehr Leistung angeboten als früher.
  • Verfahrensdokumentation: Kanzleien treffen hier klare Entscheidungen in ihrer Strategie: Entweder sucht man sich Kooperationspartner, die die Verfahrensdokumentation bei den eigenen Mandanten machen, will man das nicht ins eigene Leistungsangebot aufnehmen; oder man priorisiert die Entwicklung dieses neuen Angebots in der Kanzlei und kann es wiederum auch für Mandanten anderer Kanzleien anbieten.
  • Zielgruppenorientierung unvermeidbar: Kanzleien haben gelernt, dass die Digitalisierung automatisch zu einem scharfen Blick auf die Zusammenarbeit (Prozesse) mit Mandantenunternehmen und auch auf die unterschiedlichen Bedürfnisse führt. Dabei wird sichtbar, für welche Mandantengruppen man besonders gut und gern arbeitet, und welche einfach nicht in das Kompetenzgefüge der Kanzlei passen. Es wird klar, wie "der ideale Mandant" der Kanzlei aussieht. Diesen geschärften Blick auf Mandanten benennen Kanzleien seltener in Form von Branchenspezialisierung, sondern eher mit Kriterien wie "interessiert sich für Zahlen / will seine Unternehmensprozesse effektiv steuern / will eine saubere Dienstleistung, die sich gut anfühlt / ist verlässlich in der Zusammenarbeit".
  • Die Kanzlei als Digitalisierungsbegleiter: Einige Kanzleien haben es bereits geschafft, das Leistungsangebot um einen substanziellen Bereich "Digitalisierungsberatung / -coaching / Sparringspartner für Mandanten"“ zu erweitern. Noch mehr Kanzleien haben sich das als konkretes Ziel gesetzt. Insbesondere ein Produkt um das Thema "Verfahrensdokumentation" hat sich hier als praktikabler Einstieg für bestimmte Mandantengruppen erwiesen.
  • Betriebswirtschaftliche Beratung und Erfolgscoach: Kanzleien, die diesen Weg gegangen sind, haben für Mandantenberatung und Erfolgscoaching vor allem eigene Strukturen geschaffen (z. B. Profitcenter, Tochtergesellschaften oder extra Teams für betriebswirtschaftliche Beratung) und sich extern Kompetenzen ins Team geholt (z. B. Controller oder Geschäftsführer aus mittelständischen Unternehmen, Banker oder ehemalige selbstständige Berater und Coaches). Der Gedanke, "der gesamten Mandantschaft mehr betriebswirtschaftliche Beratung einfach zu verkaufen" scheitert meist an den unterschiedlichen Beratungsbedürfnissen verschiedener Mandantengruppen und daran, dass eher größere Mandate (ab 2 Mio. EUR Umsatz) generell Beratung über klassische Steuerberatung hinaus einkaufen. Als Erfolgsmodell für betriebswirtschaftliche Beratung hat sich echte interdisziplinäre Beratung, auch in Kombination mit Rechtsberatung, herausgestellt. Vor allem mittelgroße, interdisziplinäre Kanzleien mit klar mittelständischer Klientel bieten ein Komplettbetreuungskonzept an, das sämtliche Beratung aus Steuern, Recht und unternehmerischen Fragen löst.

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