Leitsatz

* 1. Bei der Prüfung, ob eine wesentliche Beteiligung i.S.d. § 17 EStG vorliegt, sind auch mittelbare Beteiligungen von geringem Umfang (sog. Zwergenanteile) zu berücksichtigen.

2. Eine sog. Erwerbstreuhand ist durch den Erwerb der Beteiligung seitens des Treuhänders für Rechnung und im Auftrag des Treugebers gekennzeichnet.

3. Ist in einem Verfahren ein Berichterstatter bestellt worden und wird das Urteil durch diesen getroffen, ist bei vorliegender Einverständniserklärung des Klägers das Gericht auch dann vorschriftsmäßig besetzt, wenn sich das Finanzamt mit einer Entscheidung "durch den Vorsitzenden/Berichterstatter des Senats nach § 79a FGO" einverstanden erklärt hat.

*Leitsätze nicht amtlich

 

Normenkette

§ 17 EStG , § 39 Abs. 1 AO , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO

 

Sachverhalt

Der Kläger war Gesellschafter mit 25 % des Stammkapitals und Geschäftsführer der S-GmbH. 75 % der Geschäftsanteile der S-GmbH gehörten der X-AG, deren Aktien wiederum zu 99,70 % der Y-AG gehörten.

Der Kläger hatte seit längerem Belegschaftsaktien der Y-AG erworben und auf ein Wertpapierdepot mit dem Zusatz "wg. B. (Sohn), geb. 20.1.1971" übertragen, für das er allein zeichnungsberechtigt war. Es enthielt 21 (1988), 25 (1989) und 28 (1990) Aktien. Die Dividenden wurden dem Kläger gutgeschrieben.

1991 verkaufte der Kläger seinen Geschäftsanteil an der S-GmbH. Die Dividendenerträge erklärte er in den Jahren 1990 bis 1994 als eigene Einnahmen, die Aktien in seinen Vermögenssteuererklärungen als eigenes Vermögen. 1995 gab er für diese Jahre berichtigte Erklärungen ab, in denen die Dividenden und die Aktien nicht mehr enthalten waren. Er vertrat die Ansicht, dass die Aktien dem Sohn B zuzurechnen seien.

Das FA ging demgegenüber davon aus, dass der Kläger Eigentümer der Aktien geworden und geblieben sei und er deshalb über diese wesentlich an der S-GmbH beteiligt sei. Dementsprechend erfasste es für das Streitjahr 1991 beim Kläger gem. § 17 EStG einen Gewinn aus der Veräußerung der Geschäftsanteile an der S-GmbH. Die Klage hatte keinen Erfolg (EFG 2002, 757).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte das Urteil des FG. Eine wesentliche Beteiligung i.S.v. § 17 EStG umfasse auch mittelbare Beteiligungen, die keine Beherrschung vermittelten und die lediglich Zwerganteile repräsentierten. Die Aktien seien dem Kläger als dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen. Die abweichende Bezeichnung des Wertpapierdepots sei unerheblich. Es liege mangels Beherrschung des Treuhandverhältnisses durch den Sohn auch keine Vereinbarungstreuhand und wegen fehlender nachweisbarer Vereinbarungen auch keine Erwerbstreuhand vor.

 

Hinweis

Nach § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG in der bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung war eine wesentliche Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gegeben, "wenn der Veräußerer zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt war". Danach liegt eine wesentliche Beteiligung dann vor, wenn die unmittelbare und die mittelbare Beteiligung zusammengerechnet mehr als ein Viertel (bis zum 31.12.2001: mindestens 10 %, ab dem VZ 2002 mindestens 1 %) des Kapitals der Gesellschaft ergeben. Zu beachten ist, dass sich trotz der Absenkung der Relevanzschwelle auf 1 % der Begriff der "mittelbaren Beteiligung" nicht verändert hat: Erfasst werden auch mehrfach vermittelte, d.h. durch einander nachgeschaltete Zwischengesellschaften vermittelte Beteiligungen (vgl. u.a. BFH, Beschluss vom 10.2.1982, I B 39/81, 1982, 392).

Die Versuche, den Begriff der "mittelbaren Beteiligung" einzuschränken – z.B. auf Beteiligungen, die vom Veräußerer beherrscht werden – waren ebenso erfolglos wie die Versuche, neben der Beteiligung am Nennkapital noch andere Umstände (eingeschränkte Stimmrechte, veränderte Verteilung des Gewinns oder des Liquidationserlöses usw.) zu berücksichtigen. Offen war noch, ob auch ganz geringfügige Beteiligungen an Zwischengesellschaften als "mittelbare Beteiligungen" zu beurteilen sind. Auch hier zeigt sich jetzt die Rechtsprechung kompromisslos: Es ist jede Beteiligung am Kapital der Gesellschaft und damit auch jeder Zwerganteil heranzuziehen. Verfassungsrechtliche Argumente gegen dieses Ergebnis (vgl. etwa Frotscher, EStG, § 17 RZ 46) lässt der BFH nicht gelten.

Der Fall zeigt, dass auch Versuche, durch unklare Gestaltungen die Zurechnung der Beteiligungen zu vermeiden oder wenigstens zu splitten, keinen Erfolg haben. Das gilt insbesondere für die hier immer wieder ins Feld geführten Treuhandverhältnisse (im Streitfall: Vereinbarungstreuhand und Erwerbstreuhand). Sie scheitern regelmäßig daran, dass die Vereinbarungen nicht nachweislich im Vorhinein klar und eindeutig getroffen worden und entsprechend diesen Vereinbarungen durchgeführt worden sind.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.10.2003, VIII R 22/02

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