a) Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
Für diese Konstellation hat der BGH bereits mit Urteil vom 14.6.2012 entschieden, dass GF (und Gesellschafter) in den Schutzbereich eines zwischen einer GmbH und einem Steuerberater geschlossenen Vertrages einbezogen werden können und insoweit eine Haftung des Steuerberaters gegenüber der Geschäftsführung nach den Grundsätzen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Betracht kommt.
Auftrag zur Feststellung der Insolvenzreife: Mit Rücksicht auf die dem GF einer GmbH bei einer Missachtung der Insolvenzantragspflicht drohenden Haftungsfolgen schließt nach Auffassung des BGH ein Auftrag zur Feststellung der Insolvenzreife den GF in den Schutzbereich des zwischen GmbH und Steuerberater abgeschlossenen Vertrages ein. Entsprechendes wird gelten, wenn
- kein Auftrag zur Feststellung/Prüfung der Insolvenzreife erteilt wurde,
- aber eine Hinweisverpflichtung auf das potentielle Vorliegen einer Insolvenzreife unter Berücksichtigung der BGH-Entscheidung vom 26.1.2017 bestand und
- die Hinweisverpflichtungen verletzt wurden.
b) Vertragliche Haftungsbegrenzung gegenüber dem GF als Dritten?
In Konstellationen wie der vorliegenden stellt sich regelmäßig die Frage, ob man durch vertragliche Vereinbarungen die Haftung gegenüber dem GF als Dritten begrenzen kann. Beachten Sie: Generell besteht bei einer vollständigen Freizeichnung im Rahmen von allgemeinen Auftragsbedingungen (AGB) die Gefahr
und damit die Gefahr der Unwirksamkeit.
Herausnahme des GF aus dem Schutzbereich? Auch eine individuelle Vereinbarung mit der GmbH, den GF aus dem Schutzbereich auszunehmen, birgt Risiken, weil es sich bei einer solchen Vereinbarung um eine unzulässige Vereinbarung zu Lasten Dritter handeln könnte.
Beraterhinweis Die größte Sicherheit zur Haftungsabwehr wäre
- eine individuelle Vereinbarung mit der Geschäftsführung
- nach individueller Beratung über die Risiken.
Wichtig erscheint in jedem Fall aber die Vereinbarung einer Haftungshöchstsumme, die bei einer wirksamen Vereinbarung mit der GmbH auch gegenüber dem GF als Dritten gelten dürfte.
c) Mandatsniederlegung?
Reagiert die Geschäftsführung der GmbH bei erkannter (potentieller) Insolvenzreife nicht und ist sie auch nicht bereit, individuelle Vereinbarungen zur Haftung abzuschließen, muss in solchen Situationen eine Mandatsniederlegung in Betracht gezogen werden.
Beraterhinweis Keineswegs sollte das Mandat bei erteilten Hinweisen ohne entsprechende Reaktion der Geschäftsführung einfach fortgeführt werden, da in diesem Fall sogar eine Beihilfe zur Insolvenzverschleppung in Betracht kommt.
d) Weitere Fragen bei etwaiger Inanspruchnahme des Steuerberaters
Unabhängig von der Frage, ob und inwieweit der Steuerberater in einer solchen Konstellation pflichtwidrig gehandelt hat, stellen sich bei einer etwaigen Inanspruchnahme des Steuerberaters durch den GF zahlreiche weitere Fragen:
Hätte die Geschäftsführung bei korrekten Hinweisen zur Insolvenzreife tatsächlich Insolvenzantrag gestellt? Hierfür besteht grundsätzlich keine Vermutung.
In welcher Höhe ist der Geschäftsführung ein Schaden entstanden, den der Berater ersetzen muss? Hierbei kann ein Schaden nicht mit den Zahlungsverpflichtungen der Geschäftsführung aus § 64 GmbHG a.F./§ 15b InsO gleichgesetzt werden. Vielmehr bedarf es eines Gesamtvermögensvergleichs, bei dem auch Vermögensmehrungen zugunsten der Geschäftsführung zu berücksichtigen sind.
Scheitert ein schuldhaftes Verhalten daran, dass die Geschäftsführung sich hat extern beraten lassen? Eine Haftung des GF nach § 64 GmbHG a.F./§ 15b InsO setzt ein Verschulden seitens des GF voraus (s.o. Abschnitt III). Handelt der GF schuldhaft – und kann sich insoweit einer Haftung nicht entziehen –, bedeutet dies, dass er sich nicht auf Beratungen eines unabhängigen externen Beraters berufen konnte. Auch hat er die Insolvenzreife jedenfalls fahrlässig nicht erkannt. In diesem Fall wird man von einem erheblichen, mindestens 50%igen Mitverschulden der Geschäftsführung ausgehen müssen.