Leitsatz
Bestätigung der neueren Rechtsprechung
Die Kläger waren zu insgesamt 90% an der gewerblich tätigen U-KG sowie zu 100% an der U-GbR beteiligt. Beide Gesellschaften waren aufgrund einer mitunternehmerischen → Betriebsaufspaltung verbunden. Gegenstand der sachlichen Verflechtung war zunächst das von der GbR (Besitzunternehmen) an die KG (Betriebsunternehmen) vermietete Grundstück A-Str. und später das Grundstück B-Str.
Das FA meinte, daß die Einkünfte der GbR aus der Vermietung beider Grundstücke als Sonderbetriebseinkünfte bei der KG zu erfassen seien. – Zu Unrecht, wie der BFH entschied: Der Qualifikation des Vermögens als Gesellschaftsvermögen der Besitzgesellschaft und der Einkünfte aus der Verpachtung dieses Vermögens als gewerbliche Einkünfte der Gesellschafter der Besitzgesellschaft kommt bei einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung Vorrang vor der Qualifikation des Vermögens als → Sonderbetriebsvermögen und der Verpachtungseinkünfte als Sonderbetriebseinkünfte der Gesellschafter bei der Betriebsgesellschaft zu (vgl. schon BFH, Urteil v. 23. 4. 1996, VIII R 13/95, BStBl 1998 II S. 325).
Der Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 EStG ist darauf gerichtet, Entgelte aufgrund unmittelbarer Leistungsbeziehungen zwischen dem Gesellschafter (Mitunternehmer) und der Gesellschaft (Mitunternehmerschaft) im Gesamtgewinn der → Mitunternehmerschaft als Sonderbetriebseinkünfte zu erfassen. Da der Zweck der Vorschrift jedoch darin besteht, für den Bereich dieser Sondervergütungen den Mitunternehmer einem Einzelunternehmer gleichzustellen und Sondervergütungen als gewerbliche Einkünfte zu qualifizieren, unterstehen der Vorschrift auch mittelbare Leistungen, die der Gesellschafter – ggf. zusammen mit anderen Gesellschaftern oder Nichtgesellschaftern – über einen nicht gewerblich tätigen Personenzusammenschluß gegenüber der Gesellschaft erbringt.
Ist mithin der Durchgriff durch einen solchen ertragsteuerrechtlich beschränkt rechtsfähigen Personenzusammenschluß (Schwesterpersonengesellschaft) nicht unmittelbar dem Gesetzeswortlaut zu entnehmen, sondern das Ergebnis einer teleologischen Auslegung, muß er andererseits dann ausgeschlossen sein, wenn die Einbindung mittelbarer Leistungen in den Regelungsbereich des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG weder nach dem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck dieser Bestimmung geboten ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 24.11.1998, VIII R 61/97
Anmerkung:
Das Besprechungsurteil liegt auf der Linie der neueren Rechtsprechung des BFH. Bereits im Urteil vom 16. 6. 1994, IV R 48/93 (BStBl 1996 II S. 82) hatte der BFH in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung ausgeführt, daß in dem Fall, in welchem eine mitunternehmerische → Personengesellschaft Wirtschaftsgüter an eine ganz oder teilweise gesellschafteridentische andere Personenhandelsgesellschaft vermietet, die betreffenden → Wirtschaftsgüter nicht zum Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter bei der mietenden Gesellschaft gehören. Eine mitunternehmerische Personengesellschaft sei auch eine gewerblich geprägte Schein-KG.
In der Folgezeit hat der BFH entschieden, daß die Qualifikation des Vermögens als Gesellschaftsvermögen und der Einkünfte aus der Verpachtung dieses Vermögens als Einkünfte der gewerblich geprägten Personengesellschaft bei ganz oder teilweise gesellschafteridentischen Personengesellschaften Vorrang vor der Qualifikation des Vermögens als Sonderbetriebsvermögen und der Einkünfte aus der Verpachtung als Sonderbetriebseinkünfte der Gesellschafter bei der leistungsempfangenden Gesellschaft habe (BFH, Urteil v. 22. 11. 1994, VIII R 63/93, BStBl 1996 II S. 93).
Zusammenfassend läßt sich nunmehr feststellen, daß dieser Qualifikationsvorrang generell dann gilt, wenn die leistende Personengesellschaft als gewerbliche einzuordnen ist, sei es, daß sie eine originär gewerbliche Tätigkeit ausübt (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG), sei es, daß sie gewerblich geprägt ist (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) oder sei es, daß sie – wie im Streitfall – über die Grundsätze der (mitunternehmerischen) Betriebsaufspaltung als gewerbliches Unternehmen anzusehen ist.