Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Ob Aufwendungen Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind, bestimmt sich für Gewinn- und Überschusseinkünfte ausschließlich nach § 255 HGB. Nach § 255 Abs. 2 HGB sind Aufwendungen für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung, oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinaus gehende wesentliche Verbesserung Herstellungskosten. Obwohl nicht ausdrücklich erwähnt, führt auch der Tatbestand der Änderung der Funktions- und Zweckbestimmung eines Vermögensgegenstandes zu Herstellungskosten, weil dadurch regelmäßig ein neues Wirtschaftsgut geschaffen wird.
Sachverhalt
Die Steuerpflichtige hatte im Jahr 1991 ein 1968 errichtetes Gebäude erworben. Seit Oktober 1998 betreibt sie zusammen mit ihrem Ehemann in diesem Gebäude ein Sonnenstudio im Erd- und Kellergeschoss. Das Erd- und Kellergeschoss war bis 1978 als Cafe genutzt und anschließend zu Wohnzwecken fremdvermietet worden.
Die Steuerpflichtigen bauten die Erdgeschosswohnung in der Weise um, dass die Decken teilweise abgehängt wurden. Es wurden zudem zwei Trennwände in Leichtbauweise eingezogen, um die Sonnenbänke voneinander abzutrennen. Das aus dem Betrieb des Cafés stammende Damen-WC im Keller wurde zu einem Gemeinschafts-WC mit neuem WC, Urinal und Waschbecken umgestaltet und neu gefliest. Entsprechend einer Auflage der Kreisverwaltung wurde eine Brandschutztür als Abschluss zum Treppenhaus eingebaut. Vier der Fenster wurden ausgetauscht; ein weiteres wurde nach Durchbruch der Außenmauer erstmals eingebaut. Dabei wurden auch die Innen- und Außenfensterbänke erneuert. Die Hauseingangs- und Zimmertüren, die bisher nicht erneuert worden waren, wurden ausgetauscht. Das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes wurde bis auf das zusätzliche Fenster nicht verändert.
Die Steuerpflichtigen behandelten die Aufwendungen von insgesamt 34 742 DM (netto) in Höhe eines Teilbetrages von 7 216 DM als Herstellungskosten (Deckenabhängung, zusätzliches Fenster und Leichtbauwände) und in Höhe von 27 526 DM als Erhaltungsaufwand. Das Finanzamt ordnete den gesamten Betrag den Herstellungskosten zu mit der Begründung, durch die Umwidmung der bisherigen Erdgeschosswohnung in ein Sonnenstudio sei eine Änderung der Nutzungsart eingetreten.
Entscheidung
Das FG hat entschieden, dass das Finanzamt die streitigen Aufwendungen zu Recht als Herstellungskosten behandelt hat. Zwar hätten die Baumaßnahmen nicht zu einer Erweiterung des Gebäudes geführt. Es liege auch keine wesentliche Verbesserung vor, weil die Aufwendungen nicht zu einem Standardsprung - etwa von einem einfachem zu mittlerem Standard oder von mittlerem zu sehr anspruchsvollen Standard - geführt hätten. Dies sei nur dann anzunehmen, wenn durch die Maßnahmen von den für ein Gebäude maßgeblichen Bereichen Fenster, Sanitär, Elektroinstallationen und Heizung mindestens drei Bereiche betroffen seien und diese zu einer deutlichen Erhöhung des Gebrauchswerts führten. Vorliegend seien von den Maßnahmen allerdings nur die die Bereiche Sanitär und Fenster betroffen.
Da jedoch durch die Umgestaltung der Wohnung zu einem Sonnestudio eine Nutzungsänderung vorgenommen wurde, sei bereits dadurch das Merkmal des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB in Form der Herstellung eines Vermögensgegenstandes erfüllt, so dass es auf die ergänzenden Tatbestandsmerkmale der Erweiterung oder wesentlichen Verbesserung als nachträgliche Herstellungskosten nicht ankomme. Entscheidend sei allein, dass die Aufwendungen dazu dienten, die Wohnung für die neue Zweckbestimmung umzugestalten und damit den neuen Vermögensgegenstand herzustellen Dabei sei unbeachtlich, dass durch die Maßnahmen keine dauerhafte Umgestaltung vorgenommen wurde, sowie dass ein Teil der Aufwendungen - insbesondere der Austausch der Fenster, aber auch sonstiger verschlissener Teile - auch bei Beibehaltung der Nutzung zu Wohnzwecken erforderlich gewesen wäre und in diesem Fall unzweifelhaft Erhaltungsaufwand vorgelegen hätte.
Hinweis
Wird ein Gebäude teils eigenbetrieblich, teils fremdbetrieblich, teils zu eigenen und teils zu fremden Wohnzwecken genutzt, so ist jeder der vier unterschiedlich genutzten Gebäudeteile ein besonderes Wirtschaftsgut, weil das Gebäude in verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen steht. Das FG hat die Revision zugelassen, weil die Frage, ob allein die steuerliche Qualifizierung als anderes Wirtschaftsgut durch die Umnutzung von fremden Wohnzwecken zu eigengewerblichen Zwecken zwingend dazu führt, dass ungeachtet des Umfangs der damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen Herstellungskosten vorliegen, auch wenn keine Erweiterung oder wesentliche Verbesserung gegeben ist, grundsätzliche Bedeutung besitzt. Da die Steuerpflichtigen gegen das Urteil unter dem Az. XI R 72/03 Revision eingelegt haben, wird der BFH zudem Gelegenheit zur Klärung der bisher unentschiedenen Rechtsfrage haben, ob in Fällen, in denen ein Gebäude(-teil) für eine andere als die bisherige Nutzung umgestaltet wird, auch die zeitlich und räumlich mit der Umgestaltung anfallenden ...