Alles, was schiefgehen kann, geht auch schief!
[Ohne Titel]
Wendelin Liebgott
In der Umsatzsteuer kann man viel falsch machen. Insbesondere die Formenstrenge lässt wenig Toleranz zu. Immerhin gewährt die Rechtsprechung und in ihrem Windschatten die Finanzverwaltung inzwischen weitergehende Korrekturmöglichkeiten. In dieser fast ganz wahren Geschichte aus der Praxis von Steuerberater Steuber werden einige bestimmt häufiger, wenn auch nicht immer in dieser Konzentration vorkommende Fehlermöglichkeiten dargestellt und erläutert, wie sie zu korrigieren sind.
1. Der Sachverhalt
Es war einmal ein Bauunternehmer, vielleicht hieß er Murphy. Murphy erbringt Bauleistungen sowohl an andere Bauunternehmer als auch an sonstige Kunden. In diesem Fall ist sein Kunde ein Bauträger, der nicht selbst Bauleistungen erbringt, so dass nicht die Umkehr der Steuerschuld zur Anwendung kommt.
Murphy hat im Mai 2020 eine Abschlagsrechnung erteilt, in der er zutreffend 19 % Umsatzsteuer ausgewiesen hat, diese wurde vom Kunden bezahlt und die erhaltene Anzahlung von Murphy korrekt versteuert. Im Oktober 2020 hat der Kunde die Bauleistung von Murphy abgenommen. Im Abnahmeprotokoll ist festgehalten, dass Murphy noch einige Restarbeiten zu erbringen hat. Diese werden von ihm bis Februar 2021 ausgeführt. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit dem Kunden stellt Murphy erst im März 2022 eine Schlussrechnung aus, in der er 19 % Umsatzsteuer ausweist und als Zeitpunkt der Leistung (§ 14 Abs. 4 Nr. 6 UStG) Februar 2021 angibt. Dies fällt in der Buchhaltung nicht auf, die Rechnung wird im März 2022 gebucht und der Umsatz in der Voranmeldung deklariert. Bis Jahresende 2022 hat der Kunde die Rechnung noch nicht bezahlt.
Bei der Erstellung des Jahresabschlusses 2022 zur Jahresmitte 2023 wird der Steuerberater von Murphy auf diese noch offene Rechnung aufmerksam. Nachdem er den Sachverhalt ermittelt hat, ist ihm klar, dass hier manches nicht stimmen kann. Er beschließt, seinen alten Freund Steuerberater Steuber um Unterstützung zu bitten. Der schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, als er die Geschichte hört. Gemeinsam überlegen die beiden, wie sie den Vorgang richtigstellen können.
2. Der Zeitpunkt der Leistung
Mit Schreiben vom 27.1.2023 hat das Bundesfinanzministerium das Merkblatt zur Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft (USt M 2) neu aufgelegt. Es tritt an die Stelle der Fassung vom 12.10.2009 und ersetzt die Verweise auf die damals noch geltenden UStR 2008 durch solche auf den seit 1.11.2010 geltenden UStAE. Dabei werden die seitdem erfolgten Änderungen berücksichtigt. Diese basieren z.T. auf Gesetzesänderungen, z.B. in § 13b Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG oder § 14a Abs. 5 UStG, z.T. auf Rechtsprechung, z.B. zur neuen Definition der Werklieferung und zur Uneinbringlichkeit von Sicherungseinbehalten. Weitgehend unverändert geblieben sind die hier einschlägigen Passagen zur Steuerentstehung bei Werklieferungen und sonstigen Leistungen, insb. Werkleistungen, bei Teilleistungen sowie bei Voraus- und Abschlagszahlungen.
Zeitpunkt der Ausführung bei Werklieferung: Eine Werklieferung gilt danach als ausgeführt, sobald dem Auftraggeber die Verfügungsmacht am erstellten Werk verschafft worden ist. Verschaffung der Verfügungsmacht bedeutet, den Auftraggeber zu befähigen, im eigenen Namen über das auftragsgemäß fertiggestellte Werk zu verfügen. In der Regel setzt die Verschaffung der Verfügungsmacht die Übergabe und Abnahme des fertiggestellten Werks voraus. Auf die Form der Abnahme kommt es dabei nicht an.
Begriff und Durchführung der Abnahme: Unter Abnahme ist die Billigung der ordnungsgemäßen vertraglichen Leistungserfüllung durch den Auftraggeber zu verstehen. Nicht maßgebend ist die baubehördliche Abnahme. Die Abnahme ist in jeder Form möglich, in welcher der Auftraggeber die Anerkennung der vertragsgemäßen Erfüllung vornimmt (§ 12 VOB/B). Bei Vereinbarung einer förmlichen Abnahme wird die Verfügungsmacht im Allgemeinen am Tag der Abnahmeverhandlung verschafft.
Das gilt dann nicht, wenn eine Abnahme durch eine stillschweigende Billigung stattfindet. Eine solche ist z.B. anzunehmen, wenn das Werk durch den Auftraggeber bereits bestimmungsgemäß genutzt wird.
Fehlende Restarbeiten oder Nachbesserungen schließen eine wirksame Abnahme nicht aus, wenn das Werk ohne diese Arbeiten seinen bestimmungsgemäßen Zwecken dienen kann.
Nun wird niemand eine förmliche Abnahme erklären, wenn das Werk offensichtlich nicht bestimmungsgemäß nutzbar ist. Erst recht scheidet dann eine Abnahme durch stillschweigende Billigung aus. Somit kann hier davon ausgegangen werden, dass Murphy seinem Kunden im Oktober 2020 die Verfügungsmacht an seinem Werk verschafft hat. Der Umsatz hätte also in der Voranmeldung für Oktober 2020 erklärt werden müssen, ggf. im Wege der Schätzung.